Süße Herzensbrecherin
Woge des Verlangens in ihr aufstieg. Williams Blick begegnete ihrem in einer schweigenden, beinahe belustigten Herausforderung, die von Dingen sprach, an die zu denken eine wohlerzogene junge Dame sich nicht getrauen durfte. Behutsam strich er ihr eine vorwitzige Locke aus der Stirn, und Cassandra spürte, wie jeglicher Widerstand in ihr sich in Luft auflöste.
Mit weichen Knien lehnte sie sich gegen den Stamm der Ulme, dankbar für den Halt, den er ihr bot. William legte ihr den Arm um die Taille und zog sie zu sich. Er neigte den Kopf und küsste sie unendlich zärtlich auf die Wange. Cassandra seufzte auf und flüsterte seinen Namen. Dann fand sein Mund ihren, und er küsste sie süß und fordernd, und sie klammerte sich an ihn und wünschte sich mit jeder Faser, dass er nie mehr aufhören möge.
Plötzlich spürte sie sich von seinen beiden Armen umfangen. Er strich ihr über den Rücken und presste sie mit seinen Händen gegen sich. Bei der Berührung schienen Cassandras Sinne zu explodieren, und sie erwiderte Williams Kuss mit einer Inbrunst, die seiner in nichts nachstand. Der Duft seines Eau de Cologne steigerte ihr Verlangen, ihr Körper, ihr ganzes Sein war gefangen in süßer Leidenschaft.
Der verzauberte Moment fand ein jähes Ende, als ein diskretes Hüsteln ertönte. Sie fuhren auseinander. Ein Dienstbote, dessen Kommen sie nicht bemerkt hatten, stand in einiger Entfernung. Der Mann hatte eine ausdruckslose Miene aufgesetzt.
„Bitte verzeihen Sie, dass ich störe, Mylord, aber Mr. Palmer ist eingetroffen.“
William nickte. „Danke, Myers. Ich bin gleich bei ihm.“
Der Lakai verbeugte sich und wandte sich zum Gehen. Ein wenig hilflos angesichts der starken Empfindungen, die sie überwältigt hatten, lächelten sie einander an. Für Cassandra waren diese Gefühle neu und aufregend, so als hielte die Zukunft das Versprechen auf ein süßes Geheimnis für sie bereit.
„Mr. Palmer ist mein Anwalt. Es wäre mir fast entfallen, dass ich heute Vormittag mit ihm verabredet bin.“
„Gehen Sie nur. Ich werde noch eine Weile hier an diesem schönen Ort verweilen.“
Cassandra sah William nach, wie er auf sein Pferd stieg und davonritt, dann wandte sie sich wieder dem See zu. Die vielen widersprüchlichen Empfindungen in ihr brachten sie durcheinander. Sie kannte William erst seit so kurzer Zeit, und doch fühlte sie sich mit jeder Minute, die verging, mehr zu ihm hingezogen, und sie konnte sich dem Bedürfnis, ihm nahe zu sein, kaum mehr erwehren. In dem Moment, da er sie geküsst hatte, war ihr nicht etwa bange vor ihm gewesen, sondern vor sich selbst.
Nach einer Weile machte sie kehrt und begab sich auf den Weg zurück zum Haus. Vor dem Gartentor angelangt, entdeckte sie eine kleine mit Rosen bewachsene Laube und beschloss, sich dort für einen Moment auszuruhen und das malerische Ambiente der prächtigen Anlage zu bewundern.
Sie wollte gerade auf der steinernen Bank im Innern der Laube Platz nehmen, als plötzlich ein schlanker, hochgewachsener Gentleman völlig unerwartet hinter einem der mächtigen alten Rhododendronsträucher hervortrat und auf sie zukam. Der Mann war schlicht gekleidet, ganz in Schwarz, lediglich sein Krawattentuch leuchtete schneeweiß. Er musste Anfang dreißig sein, und mit seinem energischen Kinn, dem leicht verächtlichen Zug um den Mund und den kühlen grauen Augen wirkte er gleichermaßen streng wie überheblich und stolz.
Cassandra erschauerte, denn sie fühlte sich ob seines eindringlichen, fast feindseligen und unverhohlen neugierigen Blickes gefangen wie eine Fliege im Spinnennetz.
Er blieb vor ihr stehen und stützte sich auf seinen mit einem Goldknauf verzierten Spazierstock. „Miss Greenwood.“
Cassandra nickte und sah ihn an. „Ich fürchte, ich kenne Ihren Namen nicht, Sir.“
Ihr Gegenüber deutete eine Verneigung an. „Mark Lampard – Baron Oakwood – von Littleton Manor. Ich bin Lord Carlows Cousin.“
Nun bemerkte Cassandra die Familienähnlichkeit, allerdings strahlte dieser Lampard eine hochmütige Distanziertheit aus, die sie an William nicht beobachtet hatte.
„Die vergangenen zwei Jahre, seit dem Tod von Lord Carlows Bruder, habe ich dieses Anwesen verwaltet“, fuhr Baron Oakwood fort. „Ich weiß über alles, was sich auf diesem Grund und Boden abspielt, bestens Bescheid.“ Er sprach mit ruhiger, tiefer Stimme, und Cassandra befand im Stillen, dass sie gut zu seiner ernsten, dünkelhaften Erscheinung passte. „Lord Carlow hat mich
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