Suesse Hoelle
beschützt in seinen Armen lag und er den Rest der Welt von ihr fernhielt, gelang es ihr plötzlich. Sie fühlte sich wie in einem Traum, gefangen in einer Kombination von Müdigkeit und Nachwirkungen von Stress, als wäre nichts wirklich. »Es war schrecklich. Geistig habe ich es nie ertragen können. Ich habe meine gesamten Energien für eine Barriere um mich herum gebraucht, um mich selbst zu schützen«, erklärte sie. »Es war die einzige Möglichkeit, wie ich leben konnte, und diese Barriere war auch nur teilweise ein Schutz. Mein ganzes Leben lang habe ich mir gewünscht, normal zu sein. Ich wollte jemanden lieben, wollte eine Beziehung haben wie alle anderen Menschen. Eine wundervolle Intimität wünschte ich mir mit einem netten Mann, aber das gelang mir nicht. Intim zu werden, körperlich, ließ meine innere Barriere zusammenbrechen. Ich konnte nichts mehr von mir abwehren. Und die geistige Störung war so enorm, dass ich nur noch seine Gefühle nachvollzog - jedes körperliche Glück, das ich vielleicht spürte, wurde verdrängt. Nicht besonders erhebend, kann ich dir sagen! « Sie verzog den Mund. »Mein Lover war keineswegs erfüllt von Zärtlichkeit für mich, alles, was er wollte, war Sex. Und er sah es auch noch als Verdienst an, weil er es wagte, Sex mit einer übersinnlich angehauchten Verrückten zu haben.«
»Dieser Hundesohn«, sagte Dane leise.
Sie hob leicht die Schulter. »Ich war ja auch wirklich verrückt. Das bin ich noch immer.«
»Traurig, aber kein Wunder, dass du auf Sex so reagierst. Bis jetzt hast du ja auch nur die hässliche Seite davon erlebt, kein Anlass zu romantischen Illusionen, nicht wahr? Du kennst Männer, die einen Treffer landen wollen, und du kennst Vergewaltigung. Wahrscheinlich hältst du nun alle Herren für Abschaum.«
»Nein«, wehrte sie ab. »Wenn du weißt, was andere Menschen fühlen, so wie ich, dann ist dir klar, dass es nicht so sein kann. Es gibt selbstsüchtige, böse Frauen, genau wie es bösartige Männer gibt. Aber wenn es um Sex ging, konnte ich gedanklich keine Barriere errichten. Es wäre auch nicht anders gewesen, wenn ich verrückt vor Liebe gewesen wäre nach einem wundervollen Mann, der mich genauso sehr geliebt hätte. Es war mir unmöglich, Sex zu genießen mit all den geistigen Schwierigkeiten, die um mich herum existierten.«
Sie schüttelte leicht den Kopf. »Ich glaube, ich habe akzeptiert, dass es für mich niemals eine intime Beziehung geben konnte«, sprach sie dann weiter. »Ich habe es geliebt, allein zu sein, in meiner kleinen Hütte in den Bergen. Dr. Ewell fand, dass es gut für mich war, in diese Hütte zu ziehen, ein Schritt auf dem Weg, mein Leben in normale Bahnen zu lenken. Und er hatte recht. Ich habe mit ihm zusammengearbeitet bei Experimenten und Dokumentationen, habe ab und zu geholfen, vermisste Menschen wiederzufinden, obwohl es mich von Mal zu Mal mehr Kraft gekostet hat - nun ja, du weißt ja, was dann mit mir los ist. Irgendwann einmal, vor der Zeit mit Gleen, war es mir gelungen, meine Fähigkeiten in Bahnen zu lenken: Ich konnte mich mit einem bestimmten Menschen in Verbindung setzen und seinen Zustand auskundschaften. Das kann ich jetzt nicht mehr.«
»Möchtest du denn, dass es so ist wie früher ?«
»Ich wollte in meinem ganzen Leben nie wieder eine Vision haben«, murmelte sie. »Aber wenn ich schon keine Wahl habe, wäre ich dankbar, ich könnte mir das Objekt aussuchen. Dies hier... ist, als würde man in einen Hinterhalt gelockt.« Wieder geriet sie ins Schwanken, und ihre Augenlider senkten sich.
»Aber bis auf diese beiden Visionen hast du keine mehr gehabt?«
Marlie dachte an den Abend, an dem sie ihn angerufen hatte und dann genau wusste, was er in diesem Augenblick tat, was er sagen würde, wenn er den Telefonhörer abnahm. »Eine flüchtige Wahrnehmung hat es zusätzlich gegeben, doch das hatte nichts mit dem Mord zu tun und ist seither auch nicht wieder aufgetreten. Es war nur eine Sekunde oder höchstens zwei. Ich sehe Visionen nicht als mentale Gabe an, sie sind... anders, mit viel stärkerem Engagement verbunden. Aber nein, sonst hatte ich keine weiteren Eingebungen.«
»Gut.«
Zufriedenheit klang aus seiner Stimme, eine Zufriedenheit, die sie nicht ganz verstehen konnte. Dann legte sich seine warme Hand auf ihre Brust, und sie war einverstanden mit einem Gefühl, das nichts mit ihren übersinnlichen Fähigkeiten zu tun hatte, sondern nur damit, dass sie eine Frau war. Sie war auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher