Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
von ihm erwartete, wurde sie von seinem Vater des Hauses verwiesen. Später starb sie bei der Geburt seines Kindes.
David griff nach der Whiskyflasche, füllte ein weiteres Glas bis zum Rand und leerte es in nur zwei Zügen. Heute wollte er sich betrinken. Der schmerzende Kopf, der ihn morgen früh unweigerlich erwartete, schien ihm eine noch viel zu geringe Buße für seine Sünden.
Trotz der vielen guten Taten, die er in seinem Leben zu vollbringen versucht hatte, spürte er immer noch bittere Scham über sein Tun und dessen entsetzliche Folgen. Selbst jetzt, schon ein wenig betäubt vom Whisky, konnte er sich nicht einreden, dass Sarah jemals eine wirkliche Wahl gehabt hatte. Wie Anna schon sagte, Mädchen wie sie konnten kaum Widerspruch vorbringen, ohne ihre Stellung zu verlieren und damit ihren Lebensunterhalt.
Er hatte Sarah gerngehabt und sie nicht nur benutzt. Jeden Moment mit ihr hatte er genossen, ihren schönen Körper, aber auch ihren Witz und drolligen Humor.
Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken.
„Mylord, Mr. Forge ist eben angekommen und möchte mit Ihnen sprechen, sobald es Ihnen recht ist.“
Thomas Forge war sein Sekretär, der sich um seine persönlicheren Angelegenheiten kümmerte – Angelegenheiten, die er vor seinem Vater geheim hielt.
„Er soll es sich in seinem Zimmer bequem machen, und bringen Sie ihm einen Imbiss, Harley. Ich werde dann später zu ihm gehen.“
„Möchten Sie sonst noch etwas, Mylord?“
Harley hatte sicher das Zerschellen des Glases gehört, blieb aber diskret und zurückhaltend wie immer. „Absolution?“, murmelte David.
Harley war es gewesen, der Sarahs Aufenthaltsort herausfand, und er war an seiner Seite, als er seine Tochter entdeckte. Mehr als sonst jemand kannte er die Sünden seines Herrn.
„Das liegt nicht in meiner Hand, Mylord.“
Sein Kammerdiener schloss leise die Tür hinter sich, und David erkannte bedrückt, dass keine seiner guten Taten je seine Schuld würde tilgen können. Sehr oft fand er nachts nur deswegen Schlaf, weil er sich an die unzähligen jungen Frauen erinnerte, die sich in Sarahs Lage befunden hatten und denen er geholfen hatte. Seine Tochter war eine von ihnen.
Er leerte das Glas und stellte es auf den Tisch. Jetzt musste er mit Thomas sprechen. Der Mann war Hunderte von Meilen in seinem Auftrag gereist. Mühsam erhob er sich und streckte sich vor dem Feuer, das Harley vorhin für ihn entzündet hatte.
Das Schicksal machte sich wirklich über ihn lustig. Um die finanziellen Mittel für seine eigenen wohltätigen Zwecke zu verdienen, brachte er nun diejenigen Hilfsbedürftigen in Gefahr, die sein politischer Gegner unterstützte. Wäre ihm nicht so unwohl zumute gewesen, hätte er über das Absurde der Situation gelacht.
Thomas würde für ihn herausfinden, welchen Anteil Anna an der „Gazette“ besaß, wie sie diesen Anteil hatte geheim halten können und wie die finanzielle Lage ihrer Schule war. Sobald er besser über alles Bescheid wusste, würde er einen Krisenplan ausarbeiten für den Fall, dass die Dinge wirklich außer Kontrolle gerieten.
Aber er kannte seinen Vater. Es war fast sicher, dass die Dinge außer Kontrolle geraten würden.
„Nein, Clarinda.“
„Anna, er scheint sehr nett zu sein.“
„Nein, Clarinda.“
„Aber Anna …“
Anna stampfte schließlich mit dem Fuß auf wie ein störrisches Kind. „Du hättest ihn nicht zur Schule schicken dürfen, und du darfst ihn nicht zum Abendessen einladen.“
Clarinda ließ sich nicht einschüchtern. „Ich bin sicher, du deutest sein Verhalten ganz falsch.“
„Habe ich Lord MacLeries Verhalten falsch gedeutet?“
Lord MacLerie hieß Annas Exzentrizitäten, wie er sie nannte, im Gegensatz zu Clarinda ganz und gar nicht gut. Er hatte keinen Hehl aus seinen Vorbehalten gemacht und wünschte nicht, dass der Ruf seiner Gattin durch die Beziehung zu einer Frau, die sich fast schon jenseits der Grenzen des für eine Dame Erlaubten betätigte, gefährdet wurde. Doch Annas Freundin hegte da ganz andere Ansichten, die sie ihrem Gatten auch nicht vorenthielt. Inzwischen übersahen sie Annas Tätigkeiten höflich.
„Wir sind dem Erfolg so nahe, Clarinda. Ich weiß nur nicht, wie wir ihn endlich erreichen können.“
„Weißt du, vielleicht ist es genau das Richtige, Mr. Archer, wie ich es vorgeschlagen habe, einzuladen. Du könntest mit ihm über Lord Treybourne sprechen und diese Information an Goodfellow weiterleiten. Wenn du mehr über
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