Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
drei Männer auf ihn im Arbeitszimmer. Mit dem ersten, Thomas, hatte David gerechnet. Die anderen beiden, Ellerton und Hillgrove, waren eine Überraschung.
„Ich habe Neuigkeiten über Miss Fairchild, Mylord“, verkündete Thomas.
David hätte diesen Bericht zwar lieber allein gehört, doch seine beiden engsten Freunde waren ohnehin in seine Pläne eingeweiht und würden auch in nächster Zukunft ein Teil dieser Pläne sein.
„Die Zeitschrift gehört ihr“, stammelte Thomas in seiner Aufregung über die Entdeckung. „Und ihre Verbundenheit mit der Schule geht sehr viel tiefer, als wir zunächst dachten.“
„Sie? Da ist eine Frau im Spiel?“, fragte Ellerton.
„Nach dem Ausdruck auf Treys Gesicht zu schließen“, meinte Hillgrove, „ist auf jeden Fall eine Frau im Spiel, und nicht nur in irgendeiner Zeitschrift oder Schule.“ Er legte Ellerton den Arm auf die Schulter und nickte David zu. „Ich wette außerdem, dass diese Beziehung auch sehr viel tiefer geht, als wir dachten.“
„Zum Teufel, Hillgrove! Es ist jetzt nicht die rechte Zeit, Scherze zu machen. Fahren Sie fort, Thomas. Und ihr setzt euch jetzt da auf das Sofa und hört stumm zu, bis ihr die Ernsthaftigkeit der Situation begreift.“
David selbst nahm in dem Sessel hinter dem Schreibtisch Platz und nickte Thomas auffordernd zu, der einen Stapel Papiere und mehrere Mappen in Händen hielt. David nahm sie entgegen, ahnte allerdings schon, was sie enthielten.
„Offenbar startete Miss Fairchild mit der Zeitschrift, nachdem sie ein bescheidenes Darlehen aus unbekannter Quelle erhalten hatte. Nach mehreren Jahren sorgfältigster Verwaltung war sie in der Lage, die Investoren auszuzahlen, und besitzt jetzt somit die Zeitschrift ganz.“
Ellerton schnappte hörbar nach Luft. „Die ‚Scottish Monthly Gazette‘ gehört einer Frau? Ich dachte, dein alter Schulfreund, dieser Hobbs-Smith, ist der Besitzer.“
„Das dachte ich auch.“ Davids Respekt vor Anna stieg, falls überhaupt möglich, noch mehr. „So wie es auch ganz Edinburgh und London denkt.“
Dann wurde ihm plötzlich bewusst, was es für Anna bedeutete, falls die Wahrheit ans Licht kam. „Niemand darf davon erfahren“, ermahnte er seine Zuhörer. „Eure Reaktion ist mild im Vergleich zu dem, was passieren würde, wenn die Leute herausbekämen, dass eine Frau die Zeitschrift leitet und den Erlös dazu benutzt, Frauen in schwierigen Umständen zu helfen.“
David wusste genau, was passieren würde – Investoren und Inserenten würden sofort das Weite suchen, und bald darauf würden auch die Abonnenten ausbleiben.
Doch sie hielt alles auf bewundernswerte Weise zusammen. Er kannte nicht viele Männer, die einen solchen Plan so erfolgreich in die Tat hätten umsetzen können wie Anna, und dann noch für diese lange Zeitspanne.
„Also arbeitet Hobbs-Smith für sie? Und Goodfellow? Beide arbeiten für eine Frau?“, fragte Ellerton. Als Thomas nickte, fuhr er fort: „Was meintest du damit, dass sie Frauen in schwierigen Umständen hilft?“ Er schüttelte befremdet den Kopf. „Sag mir jetzt nicht, sie gehört zu diesen Reformern.“
„Doch, offenbar sogar das“, erwiderte David trocken. Obwohl seine Freunde in manchen Fragen recht liberale Ansichten vertraten, gab es auch für sie gewisse Grenzen.
„Wollen wir einfach nur hoffen, dass der Marquess nichts davon erfährt. Ich fürchte, seine Einstellung diesen Leuten gegenüber ist nicht annähernd so tolerant wie meine“, bemerkte Hillgrove.
Wenn sein Vater Wind davon bekommen sollte, dass die Zeitschrift, die seine Partei zur Zielscheibe ihres Spottes machte, einer Frau gehörte, würde er sie ohne jedes Bedenken und ohne zu zögern in den Ruin treiben. „Thomas, es gibt doch noch mehr über Miss Fairchild, oder?“
Thomas holte ein einzelnes Dokument aus einer Mappe und reichte es David. „Zwar gehen beträchtliche Summen von anderen Quellen ein, aber Miss Fairchild ist dennoch der Hauptinvestor für die Schule und das Heim für junge Frauen.“
Ellerton pfiff leise. „Eine Reformerin, ein Blaustrumpf und Besitzerin einer Schule für die Armen. Könnte sie überhaupt noch etwas tun, um den Marquess und die Tories mehr gegen sich einzunehmen?“
„Nur wenn sie Goodfellow persönlich wäre“, rief Hillgrove lachend.
Auch David lachte, aber etwas an dem Gedanken beunruhigte ihn. Er schüttelte ihn ab. Obwohl MacLerie sich geweigert hatte, es zuzugeben, glaubte er immer noch, dass Robert MacLerie sein
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