Süsse Küsse und unschickliche Geheimnisse
„Ich möchte auch bald wieder zurück nach London. Und wenn ich bis dahin herausfinden kann, wer dieser Goodellow ist, umso besser.“
„Der Marquess erwartet es jedenfalls“, meinte Hillgrove. „Hast du eine Vorstellung, wie du ihm auf die Schliche kommen kannst?“
„Es gibt zwei Menschen hier in Edinburgh, die wissen, wer ich bin, und denen ich aus dem Weg gehen möchte. Ich hoffe allerdings, dass ich die Damen dazu überreden könnte, mir mehr über den Burschen zu verraten.“
„Gehört Miss Fairchild zu diesen Damen?“, fragte Ellerton leise.
„Ich fürchte, sie vertraut mir nicht genug, um mir die Wahrheit zu sagen.“
„Und warum sollte sie auch?“, wandte sein Freund ein. „Sagst du ihr denn die Wahrheit?“
David schüttelte nur den Kopf.
„Ist sie die Richtige, Trey?“
Es verging ein Moment, bevor David sich zu einer Antwort durchringen konnte. „Obwohl ich mir nichts sehnlicher wünsche, kann sie es nicht sein.“
Ellerton nickte und ging zur Tür. „Dann ist es vielleicht besser, du reist so bald wie möglich mit uns ab.“
Während er seinen Freunden nachsah, zwang David sich dazu, der Wahrheit ins Auge zu sehen: Anna Fairchild war die vollkommene Frau für den Mann, den man hier als David Archer kannte. Sie konnte aber auf keinen Fall die Gattin des Earl of Treybourne werden.
17. KAPITEL
Anna zog die Decke über den Kopf, aber nichts konnte das Tageslicht abhalten. Das schwere Gewitter von gestern war einem wundervollen Tag gewichen, doch Anna wollte sich nur verstecken. Ein hartnäckiges Klopfen an der Tür ihres Schlafzimmers zeigte gleich darauf Tante Euphemias Entschlossenheit, sie aus ihrer Abgeschiedenheit zu zwingen.
„Liebes, du musst dich anziehen“, rief sie.
Als Anna sich immer noch nicht rührte, öffnete sie kurzerhand die Tür und kam mit Julia auf den Fersen herein. Tante und Nichte waren schon vollständig zum Ausgehen angekleidet.
„Lady MacLeries Kutsche kommt gleich, meine Liebe. Es ist ein wunderschöner Tag heute. Komm schnell herunter, denn es ist nicht mehr viel Zeit.“
Widerwillig stieg Anna aus dem Bett und ging zum Waschtisch. „Zeit wofür?“
Sie wusch sich das Gesicht, während ihre Tante ein Kleid aus dem Schrank holte.
„Ich weiß, dass du gestern Fürchterliches erlebt hast und dich eine Weile vor der Welt verstecken möchtest. Aber, Anna, mein Kind, Clarindas Einfall, dich mit einem kleinen Ausflug von deinem traumatischen Abenteuer abzulenken, ist genau das Richtige.“
Anna lächelte schwach. Ihre Freundin und Tante ahnten nicht, was gestern wirklich geschehen war. Die plötzliche Gefahr, von den herabfallenden Mauerstücken getroffen zu werden, war dabei noch das Mindeste gewesen.
Ich habe mich in den Feind verliebt .
Sie musste nicht nur erkennen, dass sie genau wie alle anderen Frauen schwach und willenlos war, sie hatte sich ausgerechnet von dem einen Mann verlocken lassen, den sie nicht haben konnte. Ein Mann in einer Position wie David Archer hätte sie vielleicht als seine Frau akzeptieren können, doch sie wusste genau, der Earl of Treybourne war unerreichbar für sie.
Allerdings hatte er ihr ja auch keinen Antrag irgendwelcher Art gemacht. Sie wusste nur allzu gut, dass ein paar Küsse, eine Liebkosung und geflüsterte Zärtlichkeiten noch lange keinen Heiratsantrag bedeuteten.
Doch nun riss sie sich ihrer Tante und Schwester zuliebe zusammen und brachte ein kleines Lächeln zustande. „Ein Ausflug klingt wunderbar.“
Selbst wenn sie es ein wenig an Begeisterung vermissen ließ, atmete ihre Tante sichtlich erleichtert auf, und kurze Zeit später war Anna mit der Hilfe des Kammermädchens angezogen, frisiert und bereit, das Haus zu verlassen. Die Kutsche wartete schon, und Clarinda begrüßte sie mit einem strahlenden Lächeln. Gleich darauf befanden sie sich auf dem Weg zu Arthur’s Seat, dem höchsten Punkt auf der Hügelkette östlich von Edinburgh.
Anna war allerdings ein wenig skeptisch, was die Wahl des Ausflugsziels anging, da sie sich nicht vorstellen konnte, dass das Wetter lange mild bleiben würde. Aber abgesehen davon war Arthur’s Seat einer ihrer Lieblingsorte, denn von hier hatte man einen Ausblick auf ganz Edinburgh.
Der Wagen hielt, und der Kutscher sprang herab, um den Damen beim Aussteigen zu helfen. Kaum hatte Anna jedoch festen Boden unter den Füßen, da hörte sie Clarinda jemanden begrüßen.
„Ah, Mr. Archer! Was für ein wunderschöner Tag es doch heute ist.“
Anna nahm ihren Arm
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