Sueße Prophezeiung
rau klingen.
»Wohin?«, fragte er.
»In diesen Raum. Ich will nie wieder zurück!«
Er schien darüber nachzudenken und entdeckte dabei ihr unausgesprochenes Geheimnis, obwohl sie das nicht beabsichtigt hatte. »Er bereitet dir Unbehagen? Dein Gemach?«
Trotz der Finsternis ringsum regte sich Klarheit in ihr. Sie war unvernünftig, verhielt sich kindisch. Und doch wartete er auf das, was sie zu sagen hatte – unnachgiebig und kompromisslos. Ihr fiel nur eine einzige Erklärung ein, die sie ihm anbieten konnte. »Das Zimmer ist zu klein!«
Auch darüber dachte er nun nach; Avalon konnte sich fast den abwesenden Blick in seinen Augen vorstellen, während er ihre Worte auseinander nahm und überprüfte. Plötzlich fühlte sie sich unzulänglich. Wie dumm von ihr, ihm in die Falle zu gehen. Was sollte sie jetzt tun? Allein der Gedanke an jene erdrückend enge, abgeschlossene Kammer ließ das Schluchzen wieder in ihr aufsteigen.
»Zu klein«, meinte er, ohne sie dafür zu verurteilen, aber sehr, sehr bedächtig.
Irgendwann hatte sich sein Griff so gelockert, dass sie sich in seinen Armen umdrehen konnte. Das tat Avalon jetzt, und sie spürte das Bedürfnis, ihm verständlich zu machen, was sie nicht auszudrücken vermochte, von ertragen ganz zu schweigen. Sein Gesicht über ihr war jetzt überhaupt nicht mehr zu erkennen. Einer kurzen Dämmerung folgte eine wolkenverhangene Nacht.
»Im Dunkeln«, fügte sie hinzu.
Er verstand, was sie meinte. »Der Raum ist dir zu klein und zu dunkel.«
»Als ich ein Kind war«, erklärte sie, »gab es einen Besenschrank im Cottage. Und man sperrte mich häufig darin ein ...« Das Schluchzen brach aus ihr hervor und verschluckte ihre restlichen Worte. Sie musste die Lippen aufeinander pressen, um es zu unterdrücken.
Seine ganze Haltung änderte sich, wurde weich. Seine Hände streichelten ihre Arme, und seine Lippen ruhten samtig auf ihrer Stirn.
»Schsch«, tröstete er sie, und sein Atem wärmte sie. »Ist ja vorbei.«
Sie lehnte sich resigniert an ihn. Ohne Schwierigkeiten hielt er ihr ganzes Gewicht, während er sie weiter beruhigte, und seltsamerweise öffnete das schließlich sämtliche Schleusen bei ihr.
»Oh«, schluchzte sie auf und vergrub ihren Kopf an seiner Schulter.
Er wiegte sie sanft hin und her, während er Worte flüsterte, die sie wegen ihres herzzerreißenden Weinens kaum hörte. Sie vergoss unendliche Tränen, erstickte ihr Weinen in seinem Tartan; warum sie es tat, wusste sie nicht, außer dass es sich gut anfühlte, wie er sie hielt – und es war solch eine Erleichterung, all ihren Kummer und ihr Leid in ihn fließen zu lassen.
»Jetzt ist alles gut«, murmelte er immer wieder, während seine Hände auf ihrem Rücken auf und ab strichen, bis ihre Tränen versiegten und von ihnen nur die Feuchtigkeit auf seiner Schulter übrig blieb.
Avalon fühlte sich ausgelaugt und erschöpft; während sie nun ihren Kopf an seine Schulter lehnte, geschah dies nicht – wegen des tröstlichen Gefühls, sondern weil sie einfach nicht mehr die Kraft hatte, ihn zu heben.
»Treulieb.« Marcus strich über ihr Gesicht. Sie spürte, wie seine Finger sanft die Feuchtigkeit von ihren Wangen wischten. »Du brauchst nicht wieder in das Zimmer zurückzukehren.«
Sie klammerte sich an seine Worte. Eine zaghafte Hoffnung rührte sich in ihr. Er neigte seinen Kopf und huschte mit seinen Lippen in einer leichten, zärtlichen Geste über die ihren. »Du hättest mir davon erzählen sollen. Ich hätte dich dem nie ausgesetzt, wenn ich das gewusst hätte.«
Plötzlich war sie zu müde zum Antworten. Sie konnte ihre Augen kaum noch offen halten. Erschöpfung durchdrang jede Pore ihres Körpers.
»Wohin gehen wir?«, gelang es ihr zu fragen, als er mit ihr hinaus auf den Flur, trat, den die Menschen taktvoll geleert hatten.
»In meine Räumlichkeiten«, erklärte er und geleitete sie vor sich her.
12
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Sein Bett war weich und so groß, wie sie es in Erinnerung hatte. An jeder Ecke befand sich ein geschnitzter Eichenpfosten, und die über ihnen gerafften Falten des schweren Stoffs ließen das Ganze noch ausladender erscheinen.
Es erstaunte Avalon nicht, dass Marcus sie hierher brachte, dass er sie zur Bettkante führte und sich dort mit einem Arm um ihre Schulter zu ihr setzte. Als er sie auf das einladende Lager aus Fellen und Kissen zog, spürte sie nur, wie auch die letzte Anstrengung, wach zu bleiben, von ihr wich. Es schien vollkommen natürlich, ihren Kopf an
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