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Sueße Prophezeiung

Sueße Prophezeiung

Titel: Sueße Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abe
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den Stoff, so schnell sie konnte, wegraffte. Aber sie wusste bereits, dass sie zu langsam war.
    »Bitte, bewegt Euch nicht, liebe Cousine«, erklärte ihr Claudia mit ihrer heiseren Stimme von der Tür her.
    Avalon schaute auf und stellte fest, dass Claudia die Armbrust bereits wieder geladen hatte, während sie gestürzt waren. Sie lag an ihrer Schulter und konnte jederzeit abgeschossen werden.
    Die Tür hinter ihr war geschlossen und sicherheitshalber mit einem schweren Balken verriegelt.
    Der niedergeschmetterte Marcus lag neben ihr, rührte sich nicht. Wenn sie ihren Kopf nur ein wenig zur Seite drehte, konnte sie die lustigen grünen Federn des Pfeiles aufragen sehen, der ihn getroffen hatte. Vielleicht steckte er in seiner Schulter, dachte sie. Die Tatsache, dass er sich nicht bewegte, bedeutete entweder, dass er tot war ...
    ... nein, nein, nicht tot, Treulieb ...
    ... oder dass er sich beim Sturz den Kopf aufgeschlagen hatte und bewusstlos war oder dass er vorgab, eins von beidem zu sein. Avalon war sich nicht sicher.
    Das Gefühl zu träumen hatte sich nicht verflüchtigt, sondern sich nur verändert, und zeigte Claudia in scharfen Konturen und lebhaften Farben. Der Kontrast zwischen ihrem rotbraunen Haar gegen den schwarzen Schleier und die Röte auf ihren Wangen war deutlich zu sehen. Die glitzernde Spitze des nächsten gefiederten Pfeils wies direkt auf Avalons Brust.
    »Dem Himmel sei Dank, dass Ihr gekommen seid«, wiederholte Claudia, und in diesem Traum klang ihre Stimme nicht anders als zuvor. Immer noch hörte sie sich vollkommen aufrichtig an. »Ich wusste, dass der Allmächtige mich nicht im Stich lassen würde«, fuhr sie fort. »Er hat Euch mir ausgeliefert.«
    »Ihr habt Eure zwanzig Goldschillinge auf mich verschwendet, nicht wahr?«, sagte Avalon. »Vor zwölf Jahren! Ihr habt für eine Lüge bezahlt. Die Pikten haben mich letztendlich doch nicht getötet.«
    »Wer konnte das schon ahnen?«, entgegnete Claudia obenhin, und es gelang ihr, ein Schulterzucken in ihren Tonfall zu legen, obwohl sie sich nicht bewegte. »Wie standen schon die Chancen, dass Ihr solch einen Überfall überleben würdet?«
    Avalon begann, langsam den Kopf zu wenden, und versuchte, etwas hinter der scharfen Kontur der Frau und der Waffe von der Umgebung wahrzunehmen.
    Claudia klopfte mit ihren Fingern gegen den Schaft der Armbrust. »Ich würde es wirklich begrüßen, wenn Ihr das sein ließet, Cousine. Noch bin ich nicht ganz so weit, Euch umzubringen. Außerdem habe ich von diesen Kampffähigkeiten gehört, die Ihr besitzen sollt. Doch wahrscheinlich ist das nur hohles Geschwätz oder Scharlatanerie. Nichtsdestotrotz möchte ich nicht, dass Ihr mir zeigt, was Ihr könnt.«
    Das Licht der Fackel warf lange, weiche Schatten auf den Boden und die Wände, sodass Claudias ganze Gestalt dahinter verschwand und nur ihr Gesicht, ihre Hände und die tödliche Waffe im Blickfeld lagen.
    »Gwynth war eine Hexe. Dessen bin ich mir sicher«, fuhr Claudia nachdenklich fort. »Und es ist möglich, dass Ihr Eure Fähigkeiten, dieses dämonische Ding, von ihr geerbt habt. Von der Mutter auf die Tochter! Ich habe fast getanzt, als sie starb, müsst Ihr wissen – so hasste ich sie.«
    In ihrem Traum spürte Avalon hinter sich den schwachen, schweren Herzschlag ihres Mannes. Er war kaum wahrnehmbar, trat nur wie ein Hauch in ihr Bewusstsein. Marcus war nicht tot. Das begriff sie in diesem Zustand des Träumens, und es gab ihr neuen Antrieb. Sie musste dafür sorgen, dass er nicht starb.
    Ich gehöre dir, drang eine vertraute Stimme von fern, sehr fern an ihr Ohr. Sie stammte nicht von der Chimäre. Woher kam sie?
    »Ach, was seid Ihr doch pflichtbewusst«, sprach Claudia jetzt weiter. »Ich wusste, dass Ihr kommen würdet. Er sagte nein, es sei eine zu offenkundige List. Aber ich sagte, dass Ihr kommen würdet. Ich wusste, dass Ihr in dieser Hinsicht eine Schwäche habt. Genau wie ein Mann seid Ihr jederzeit bereit, jemandem zu Hilfe zu eilen. Wie seltsam! Und er wollte Euch so verzweifelt gerne sehen. Ich glaube, ich wäre auf alles eingegangen. Nun, jetzt seid Ihr hier, und ich muss einfach glücklich sein ob Eurer seltsamen Ergebenheit einer Familie gegenüber, die Euch lieber tot als lebendig gehabt hätte!«
    Es gab nichts zwischen ihr und ihrer Feindin; es gab nichts, was sie hätte werfen, nichts, hinter dem sie sich hätte verstecken können, keinerlei Hilfsmittel. Da war nur ihr blutender Ehemann und der Leichnam auf dem Bett

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