Süße Rache: Roman (German Edition)
benutzen.
Er verfügte über ansehnliche Computerkenntnisse, aber in diesem Fall überwogen die Nachteile eines eigenen Hackerangriffs die Vorteile. Wieso sollte er riskieren, einen Alarm auszulösen, wenn er doch auch auf anderem Wege erfahren konnte, was er wissen wollte. Wie so oft traf auch hier der alte Spruch zu, dass es nicht darauf ankam, was man wusste, sondern wen man kannte – und ganz zufällig kannte er jemanden, der für die Stadt New York arbeitete, jemanden, der so tief in seiner Schuld stand, dass er
sich nie wieder daraus freikaufen konnte, und der auf das Netzwerk der Überwachungskameras zugreifen konnte.
Er hatte Glück, denn in den letzten vier Tagen war in der Stadt nichts von überragender Bedeutung passiert – bis auf die übliche Anzahl von Morden und Raubüberfällen. Es hatte keine terroristischen Anschläge gegeben, keine Bomben werfenden Radfahrer und keine sensationellen Zwischenfälle. Weil alles ruhig war, würde es niemandem auffallen, dass jemand heimlich auf die Videoaufzeichnungen vor mehreren Tagen zugegriffen hatte.
Aber wollte er sich andererseits wirklich diese Mühe machen, bevor er den Auftrag angenommen hatte?
Scheiße, ja. Er wollte schon zu seinem eigenen Vergnügen wissen, wie sie das angestellt hatte. Er war ein bisschen stolz auf sie; sie hatte keine Zeit verloren. Salinas hatte sie zutiefst beleidigt, und sie hatte am nächsten Tag darauf reagiert. Er wusste, was sie alles berücksichtigen musste, um diese Banksache abzuziehen, er wusste von den kniffligen Problemen beim Timing, weil er dieses Spiel selbst schon gespielt hatte.
Er freute sich nur selten und kannte keinen Stolz, dass er jetzt beides gleichzeitig empfand, kam ziemlich überraschend.
Oder auch nicht. Denn er vermied es auch, sich selbst etwas vorzumachen. Seine Empfindungen hingen direkt mit dem Knistern zusammen, das er bei ihr gespürt hatte – nicht dass ihr dieses Knistern das Leben retten würde, sollte er den Job annehmen. Anziehungskraft war das eine, aber zwei Millionen waren zwei Millionen.
Er rief von seinem nicht registrierten Handy aus an. Als sich die Stimme mit dem Brooklynakzent mit einem knappen »Yeah« meldete, sagte er: »Du musst mir einen Gefallen tun.«
Er meldete sich nicht mit Namen; das war nicht nötig. Es blieb lange still, dann sagte die Stimme: »Simon.«
»Ja«, sagte er.
Wieder blieb es still, dann: »Was brauchst du?«
Es gab keinen Versuch, ihn abzuweisen, Zeit zu schinden. Er hatte es nicht anders erwartet. »Ich brauche Zugriff auf die Straßenkameras.«
»Live?«
»Nein, auf das Material von vor vier Tagen. Ich weiß, ab wann. Wie viele Stunden ich checken muss -« Das Achselzucken war ihm anzuhören. Von diesem Zeitpunkt aus konnte sich die Suche in jede Richtung entwickeln, obwohl er zuvor einige Hintergrundrecherchen anstellen würde, um eine genauere Vorstellung zu bekommen, was Drea höchstwahrscheinlich unternehmen würde.
»Und wann?«
»Heute Abend.«
»Dann musst du zu mir kommen.«
»Wann?« Er konnte durchaus entgegenkommend sein. Genauer gesagt gab er sich Mühe, entgegenkommend zu sein; es kostete ihn nichts, und etwas guter Wille konnte eines Tages den Unterschied zwischen Leben und Tod, Gefangennahme und Entkommen bedeuten.
»Gegen neun. Dann sind die Kinder im Bett.«
»Ich bin da.« Er legte auf, beugte sich über seinen Computer und machte sich an die Arbeit.
Dass Drea in Wahrheit Andrea Butts hieß, hatte er in Windeseile herausgefunden. Es überraschte ihn nicht, dass sie nicht wirklich »Rousseau« hieß, trotzdem kam das »Butts« unerwartet. Es hätte ihn überrascht, wenn sie tatsächlich Rousseau geheißen hätte. Nachdem er ihren wahren Namen ermittelt hatte, schleuste er sich in die Führerschein-Datenbank ein und rief ihren Führerschein
ab. Die Sozialversicherungsnummer war nicht so einfach zu bekommen, doch innerhalb einer Stunde hatte er auch die; danach lag ihr Leben wie ein offenes Buch vor ihm.
Sie war dreißig Jahre alt, in Nebraska geboren, nie verheiratet gewesen und kinderlos. Ihr Vater war vor einigen Jahren gestorben, und ihre Mutter … ihre Mutter lebte noch in Dreas Heimatort, also würde er dort Nachforschungen anstellen, obwohl er nicht glaubte, dass Drea so dumm war, tatsächlich zu ihr zurückzukehren. Trotzdem würde sie sich in dieser Gegend zu Hause fühlen, außerdem würde sie sich vielleicht bei ihrer Mutter melden. Es gab auch einen Bruder, Jimmy Ray Butts, der gegenwärtig das dritte Jahr
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