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Süße Rache: Roman (German Edition)

Süße Rache: Roman (German Edition)

Titel: Süße Rache: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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liebte sie ihn nicht, hatte sie ihn nicht geliebt und konnte sie ihn nicht lieben – sie wusste schließlich nicht einmal, wie er hieß! – aber gleichzeitig hatte sie seine abweisende Reaktion tiefer getroffen als alles andere seit dem Verlust ihres Babys, folglich musste sie etwas empfunden hatte. Was genau, wusste sie nicht.
    Alban. Ein schrulliger Name; sie hätte ihn niemals Alban genannt. Aber dort, an diesem Ort, passte der Name perfekt. Instinktiv wusste sie, dass es ein alter Name war, der vor Jahrhunderten vergeben wurde. Und die Frau … sie hatte sich nicht vorgestellt, aber sie hieß … Gloria. Nacheinander rief sie sich die elf Menschen vor Augen, die sie angesehen und darüber entschieden hatten, ob sie eine zweite Chance verdient hatte, plötzlich sah sie jeden Namen vor sich, als hätten alle ein Namensschild getragen. Gregory der Bestatter. Gloria hatte ihn angesprochen, hier gab es kein Vertun. Aber was war mit Thaddeus? Leila? Und all den anderen Namen, die so angenehm klangen, wenn sie die Gesichter sah?
    Im Geist driftete sie zwischen jener Welt und dieser hin und her. Sie wollte die neue Welt nicht verlassen, und sie wollte auf gar keinen Fall hierher zurückkommen, wo ihre ständige Begleiterin, die Bestie Schmerz, auf sie wartete. Genau betrachtet hatte sie keine zweite Chance auf dieses Leben bekommen, sondern eine zweite Chance, sich jenes
Leben zu verdienen. Falls sie das wollte, musste sie dies hier tun.
    Letztendlich ging es immer um richtige und falsche Entscheidungen, dachte sie und ließ sich treiben. Falsche Entscheidungen lauerten überall. Es war so leicht, sich falsch zu entscheiden; als würde man Fallobst aufheben. Die richtigen Entscheidungen waren meist wesentlich schwerer zu fällen, so als müsste man erst auf den Baum klettern, um die Früchte von den obersten Ästen zu pflücken. Doch manchmal hatten die richtigen Entscheidungen unübersehbar vor ihren Füßen gelegen, sie hätte sich nur bücken und sie aufheben müssen. Stattdessen hatte sie sich jedes Mal erst umgesehen und dann das Falsche getan – manchmal sogar unter großen Mühen. So sehr hatte sie sich verrannt.
    Um eine richtige Entscheidung zu fällen, musste sie keine Heilige sein. Zum Glück, denn selbst mit ihrem neuen Wissen würde sie diese Ebene kaum je erreichen. Ehrlich gesagt begann ihr die ganze Geschichte auf den Magen zu schlagen. Na schön, sie würde es versuchen. Sie würde es versuchen wie der Teufel, was vielleicht nicht die ideale Wortwahl war, doch sie wollte um jeden Preis zurückkehren, sie wollte Alban wiedersehen. Sie war dort nicht seine Mutter, das war ihr bewusst, aber sie hatten, wenn auch viel zu kurz, die engste aller Verbindungen geteilt, als ihr Körper seinem Leben gespendet hatte, und sie wollte ein Echo dieser Liebe fühlen.
    Ab und an wurde ihr Gedankenfluss von den Krankenschwestern und Ärzten unterbrochen, die zunehmend verstört auf ihre Stummheit reagierten. Die Schwestern stellten ständig Fragen, redeten mit ihr, drückten ihr sogar Stift und Zettel in die Hand, um festzustellen, ob sie schreiben konnte. Sie konnte schon, wollte aber nicht. Sie
wollte genauso wenig schreiben, wie sie sprechen wollte. Darum starrte sie wortlos auf den Stift in ihrer Hand, bis sie aufgaben und ihn wieder wegnahmen.
    Der Chirurg, dem sie immer noch nicht verziehen hatte, leuchtete ihr mit einer Stiftlampe ins Auge und stellte ebenfalls Fragen, die sie ebenso wenig beantwortete. Sie versetzte ihm nicht einmal einen Magenschwinger, als er sich über sie beugte, obwohl sie ernsthaft mit dem Gedanken spielte.
    Der Chirurg zog einen Neurologen hinzu. Sie erstellten ein EEG und kamen zu dem Schluss, dass ihre Synapsen oder was auch immer wie wild funkten. Sie schoben sie in den Tomografen und suchten nach einem Schaden, der erklären konnte, warum sie nicht mehr sprach. Sie sprachen über ihren Fall, und zwar direkt vor ihrer Tür, als wäre die Glasschiebetür nicht offen, als könnte sie nicht jedes Wort mithören.
    »Die Sanitäter haben sich getäuscht«, erklärte der Neurologe ungerührt. »Sie kann unmöglich tot gewesen sein. Wenn die Atmung so lange ausgesetzt hätte, hätte sie zumindest einen schweren Gehirnschaden davongetragen. Selbst wenn wir von den extremsten Variablen ausgehen, und wir haben beide schon solche Fälle erlebt, hätte sie bei Gott unmöglich ohne einen Hirnschaden überleben können, wenn Atmung und Herzschlag für eine Stunde unterbrochen gewesen wären.

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