Süsse Sehnsucht Tod
Kraft und Energie gekostet.
Aber dieser verdammte Hohn in der Stimme hatte auch in mir eine Saite zum Schwingen gebracht. Ich spürte die kalte Wut und den heißen Zorn in mir gemeinsam hochsteigen, und das zusammen sorgte bei mir für einen neuen Energieschub.
So konnte ich mich in die Höhe stemmen. Blieb auf den Beinen, wenn auch nicht richtig fit, aber ich setzte einen Fuß vor den anderen und ging auch weiter.
Bei jedem Auftreten zuckten die Schmerzen wie ein sprühendes Feuerwerk durch meinen Kopf. Manchmal verdüsterte sich meine Sicht.
Ich kam mir mehr schwebend als gehend vor, aber ich machte weiter. Ich wollte einfach nicht aufgeben.
Es war ein Kampf gegen die Umstände und auch mein eigenes Ich. Ich führte ihn mit einer wüsten Verbissenheit und hätte sogar jubeln können, als ich merkte, daß die Tür nicht abgeschlossen war. Zwar rutschte ich mit meiner schweißnassen Hand einmal von der Klinke ab, beim Nachfassen aber lief alles glatt. Ich zog die Tür auf, wankte in den Flur, wo ich mich behutsam drehte, um nach links zu schauen, denn dort lag er fast in seiner gesamten Länge vor mir.
Weiter hinten war Mandys Wohnung. Für einen Moment dachte ich an Suko. Es blieb keine Zeit, ihm Bescheid zu geben. Iris Cramer war jetzt wichtiger.
Ein Handy hatte ich nicht mit. Suko trug es bei sich. Das brachte mir in meiner Lage nichts. So kämpfte ich mich Schritt für Schritt voran auf mein neues Ziel zu.
Es war der Fahrstuhl.
In meiner Lage war es mir unmöglich, die Treppe hochzugehen. Wieviel Zeit seit dem Verschwinden der Frau vergangen war, wußte ich nicht. In mir war eben nur die Hoffnung, es zu schaffen.
Wieder mußte ich auf mein Glück bauen. Die erste Stufe trat nicht ein, denn die Kabine stand nicht in dieser Etage. Ich mußte sie erst herholen.
Dabei fiel mir etwas auf. Wäre ich völlig fit gewesen, hätte ich es vielleicht intensiver gespürt, so aber nahm ich die Veränderung nur am Rande wahr, die sich auch nicht äußerlich vollzog.
Etwas hielt das Haus besetzt. Eine unheimliche und auch unerklärliche Energie.
Als ich den Kopf drehte, glaubte ich, einen bläulichen Blitz zu sehen, der durch den Flur zuckte und fächerförmig aufstrahlte, bevor er verschwand.
Magie?
Ich faßte nach meinem Kreuz.
Es hatte sich erwärmt. In der Jackentasche lag es noch immer. Ein Hoffnungsträger, um den ich mich leider nicht kümmern konnte, weil die Frau einfach wichtiger war.
Dann war der Lift da. Ich sah das Licht durch das viereckige Guckfenster und zog die Tür auf. Es klappte, und ich stolperte sofort in die kleine Kabine mit den beschmierten Wänden. Auch der Boden sah nicht besser aus. Doch das war jetzt nicht so wichtig.
Mein Blick fiel auf die Etagentaste.
Der Knopf ganz oben mußte es sein.
Ich drückte ihn.
Ein kurzes Rucken nach wenigen Sekunden, dann setzte sich die Kabine in Bewegung.
Ich fuhr hoch und einem ungewissen Schicksal entgegen…
***
Süße Sehnsucht Tod!
Iris Cramer spürte sie überdeutlich. Sie war in ihr, und sie breitete sich dabei so stark aus, als wäre sie schon lange ein treuer Freund und Begleiter.
Iris konnte damit fertig werden. Sie hatte sich darauf konzentriert und merkte, daß diese Sehnsucht immer mehr anstieg. Sie verwandelte sich in einen starken Drang, der die Frau in Richtung Jenseits und Tod trieb, allerdings noch durch die normale Welt gehen ließ, denn Iris hatte sich entschlossen, die Treppe zu nehmen, um das Dach zu erreichen. Sie wollte einfach nicht zu schnell oben sein, denn sie hatte sich vorgenommen, die Sehnsucht zu genießen, sie vom Anfang bis zum Ende auszukosten.
Iris war allein mit sich, ihren Gedanken und mit dem, was sie Zukunft nannte. Auch wenn sie in Begleitung gewesen wäre, nichts hätte sie ablenken können, denn die Sehnsucht, Grenzen überwinden zu können, verstärkte sich immer mehr.
Und so nahm sie Stufe für Stufe, nicht zu schnell, aber nichts konnte sie ablenken.
Sie wollte nach oben.
Ihre linke Hand lag auf dem Kunststoffbelag des Geländers. Er war schmutzig und klebte an einigen Stellen, was der Frau nichts ausmachte.
Wichtig war das Ziel, nicht die Äußerlichkeiten. Die Grenze zwischen den beiden Zustandsformen Diesseits und Jenseits war nie so durchlässig gewesen wie an diesem Tag.
Nicht überall auf der Welt, nur in diesem Haus. Es hatte sich innerlich verändert. Nicht nur, daß eine gespannte Ruhe herrschte wie sonst nicht, hier tauchten auch in gewissen Abständen die Energieschübe auf.
Sie
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