Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
kleinen Haus und einer Galerie in einer der schönsten Landstriche Englands anboten, hätte sie sie ihnen am liebsten ins Gesicht geworfen. Doch sie überwand mit Klugheit ihren Stolz und hörte ihnen wenigstens zu. So hatte sie erfahren, dass Signor Castiglione seinen Reichtum auch dazu verwandte, ehrgeizigen, fähigen und hart arbeitenden Menschen eine Chance zu bieten, sich in einer neuen Aufgabe zu bewähren. Die beiden Männer wussten auch, dass ihr derzeitiger Job bald zu Ende ging und sie noch keine Pläne für die Zukunft hatte. Es schien die ideale Lösung ihrer Probleme zu sein. Denn sie erfüllte ihr zumindest den Traum von einem sorgloseren Leben. Aber sie wusste, dass Alessandro auf diese Weise auch sein schlechtes Gewissen beruhigte.
Nach ihrer Rückkehr aus Südfrankreich hatte sie in England ein neues Leben angefangen. Bald darauf hatte sie von ihrer Schwangerschaft erfahren. Sie war das Beste und das Schlimmste, was ihr hatte passieren können. Seitdem durfte sie es sich eigentlich nicht mehr leisten, um Alessandro zu trauern. Jetzt plagten sie noch ganz andere Sorgen.
Wie sollte sie ihrem Baby eine bessere Kindheit bieten, als sie selbst gehabt hatte, wenn es von Geburt an ohne Vater aufwachsen musste?
Früh wie immer brach Michelle auf, um sicherzustellen, dass die Galerie tipptopp in Ordnung war, ehe sie öffnete. Ihre Kundschaft war anspruchsvoll. Sie kam von nah und fern in das zauberhafte Dorf in den Cotwolds, weil sie wusste, dass sie tüchtig war und ihre Erwartungen und Wünsche erfüllte.
Ohne auf das blassblaue Auto zu achten, das im Schritttempo den Marktplatz umkreiste, schloss sie auf und ging durch den kleine Ausstellungsraum in ihr Büro, um in Ruhe ihre Mailbox abzuhören. Da läutete die Ladenglocke. Sie musste vergessen haben, hinter sich wieder abzuschließen.
„Wir haben noch nicht geöffnet, aber Sie dürfen sich gern schon umschauen“, rief sie und konzentrierte sich auf die Durchsicht der Eingänge. Sie stammten von Bekannten und Kunden wie immer. Und doch ließ die Hoffnung, auch eine Nachricht von Alessandro darunter zu finden, nicht nach. Warum eigentlich? Hatte sie nicht von Anfang an gewusst, dass er kein Mann war, der eine Bindung einging?
Trotzdem blieb sie stur dabei, alle ihre Geschäftsberichte an ihn persönlich zu adressieren, obwohl sie wusste, dass sie doch bei der Castiglione-Stiftung landeten. Jedenfalls reagierte die Stiftung darauf. Nie Alessandro.
Hätte sie doch nur den Frauenzeitschriften geglaubt, dass Urlaubsromanzen immer katastrophal endeten! Sie hätte sich ein Meer von Tränen erspart.
„Michelle!“
Das war seine Stimme! Tief und weich, wie sie sie in Erinnerung hatte. Sie erstarrte und weigerte sich zu glauben, was sie hörte.
„Alessandro?“, fragte sie dann leise und zwang sich, nicht doch aufzuspringen, um hinüberzulaufen und nachzusehen. Nie wieder wollte sie sich wie eine Närrin benehmen. Wenn er hier war und sie sprechen wollte, musste er zu ihr kommen und nicht umgekehrt. Sie wartete ab. All die Fragen, die sie ihm nicht hatte stellen können, stauten sich in ihr. Schließlich drehte sie sich um.
Als sie ihn anschaute, erlahmte ihr Zorn, und ihre Enttäuschung verflog. Kein Wort brachte sie heraus. Stattdessen ließ sie sich von seiner Größe und seiner stattlichen Figur wieder beeindrucken. Sie fand ihn unverändert attraktiv. Sein schwarzes dichtes Haar, die dunklen durchdringenden Augen und diese Aura von Männlichkeit, die ihn umgab. Nur der elegante Geschäftsanzug und die nachtblaue Seidenkrawatte machten ihn fremd. Doch es war ein Leichtes, darüber hinwegzusehen, oder vielmehr hindurch. Denn seine herrliche Nacktheit stand ihr plötzlich vor Augen und all die anderen schönen Erinnerungen an „Jolie Fleur“. An die schrecklichen Wochen der Einsamkeit und Demütigung hätte sie denken sollen. Dieser Mann hatte sie verlassen.
Sobald sie ihm in die Augen sah, wurde auch dieser Gedanke verdrängt, und sie empfand nur noch sengende Leidenschaft. Sie rann durch ihre Adern und ließ sie näher treten, um seinen Duft einzuatmen. Sie riss alle Barrieren und Wälle nieder, hinter denen sie in den vergangenen Monaten Schutz gesucht hatte.
Fast wäre sie schwach geworden, aber irgendetwas hielt sie zurück. „Oh, nein … Mir wird schlecht …“, murmelte sie und schlug sich in einer Mischung aus Panik und Scham die Hand vor den Mund.
„Dass ich so eine Wirkung auf Menschen habe, ist mir neu, tesoro .“
Sein Lächeln
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