Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
nicht wollte sie an Essen erinnert werden, wenn ihr Magen revoltierte.
Alessandro stand ihr ein zweites Mal bei. Diesmal reichte er ihr den nassen Lappen und das Glas Wasser schon mit einer gewissen Routine. Wenigstens das Elend bewältigten sie wie ein eingespieltes Team. Michelle stöhnte auf vor körperlicher Erleichterung und ein zweites Mal, weil sie nicht wusste, was ihr noch alles bevorstand.
„Mit mir ist wirklich kein Staat zu machen“, murmelte sie und stöhnte ein drittes Mal.
Alessandro breitete theatralisch die Arme aus und schaute mit gespielter Verzweiflung zur Decke auf. „Wie kann eine Frau in solch einer Situation sich darüber Sorgen machen, was andere über sie denken.“ Und zum ersten Mal seit ihrem Wiedersehen lachte er.
6. KAPITEL
Es brauchte eine Weile, bis Michelle sich wieder erholt hatte. Während sie sich ausruhte, bereitete Alessandro Tee zu und telefonierte. Als sie wieder Kraft gehabt hätte, ihr Büro zu verlassen, wartete bereits ein halbes Dutzend Fotografen vor der Tür der Galerie.
„Sie lauern hier überall. In diese Gegend haben sich viele ihrer Opfer, Adlige und Megastars, zurückgezogen“, sagte er abfällig.
„Und für ein Foto von dir verlassen sie ihre Beobachtungsposten?“, fragte sie ungläubig.
„Ich kann nichts dafür. Um öffentliches Aufsehen habe ich mich nie gerissen. Es ist etwas, mit dem ich leben muss. Wie du versuche ich, aus allem das Beste zu machen. Ich bin es dem Unternehmen Castiglione schuldig.“
Sie antwortete mit einem schiefen Lächeln. Die Arbeit und der Geschäftserfolg zählten offenbar am meisten in seinem Leben.
Diesen Alessandro kannte sie kaum. Sie hatte heimlich davon geträumt, an der Seite von Alessandro dem Künstler zu leben. Und nun zerplatzten ihre Träume sozusagen unter den Augen der Öffentlichkeit.
„Muss ich also froh sein, dass mich die Reporter bisher noch nicht aufgestöbert haben?“, fragte sie ernst.
„Wie ich schon sagte, Michelle, ich habe einen Rettungsplan. Ich biete dir die Flucht an, falls du überhaupt möchtest.“
Er sprach hölzern wie ein Unbeteiligter. Was immer er für sie tat, es stand in keinem Verhältnis zu dem, was sie ihm an ihrem herrlichen gemeinsamen Sommerabend geschenkt hatte.
„Du bist vor mir geflohen, Alessandro.“
„Jetzt weißt du, weshalb.“ Er zeigte nach draußen, wo lange Objektive auf sie gerichtet waren, um sie gleich beim Verlassen der Galerie abzulichten.
Sie schüttelte den Kopf. Gar nichts wusste sie. Weder warum er sie verlassen hatte noch warum diese Paparazzi vor ihrer Galerie herumlungerten. Am liebsten hätte sie geweint.
„Was ist dem unbeschwerten Künstler zugestoßen, den ich in Frankreich kennengelernt habe?“, flüsterte sie.
„Das Leben. Das ist ihm zugestoßen. Es geht nämlich weiter, auch während der vermeintlichen Auszeit, und dann packt es wieder richtig zu.“ Er streckte die Hand aus. „Gib mir deinen Haustürschlüssel.“
Michelle hätte am liebsten gelacht. „Willst du mich etwa nach Rose Cottage entführen? Da komme ich gerade her. Allmählich muss ich mit der Arbeit beginnen. Sei so gut und bitte die Fotografen zu gehen. Sonst traut sich ja kein Kunde in die Galerie.“
Alessandro seufzte tief auf vor Ungeduld. „Du wirst nicht mehr arbeiten. Deine Sachen müssen gepackt werden.“
„Aber ich gehe nicht hinaus zu den Paparazzi. Es werden ja jede Minute mehr …“
„Du musst nicht selbst packen. Einer meiner Leute wird das übernehmen. Daran musst du dich ab jetzt gewöhnen.“ Er sprach auf sie ein wie zu einem Kind. Doch sie spürte, dass seine Geduld begrenzt war.
„Wohin willst du mich bringen?“, fragte sie ängstlich.
„Nach Hause. Nach Italien. In mein Haus. Hier kannst du nicht länger bleiben.“ Er schaute nach draußen. „Hier kann ich dich und mein Kind nicht länger lassen. Es wäre zu gefährlich für dich und mein Unternehmen.“
„Dann ist es also wahr, dass du deine Verwandten gefeuert hast“, platzte sie heraus.
„Von dir hätte ich wirklich nicht erwartet, dass du Gerüchten glaubst.“ Seine Stimme klang schneidend. „Ich dachte, du seiest über so etwas erhaben. Nun gut. Alle Illusionen, die wir uns übereinander gemacht haben, sind zerstört. Wir fangen unser gemeinsames Leben also bei null an.“
„Gemeinsames Leben?“ Sie schaute ihn verwirrt an.
„Ja. Und nun lass uns gehen. Es wäre Zeitverschwendung, darauf zu warten, dass die Paparazzi verschwinden. Wo ist dein
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