Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
Räume. Den Rest werden meine Leute erledigen. Durch das Haus führe ich dich später. Falls du nicht zu müde bist.“
Beim Erwähnen von Essen begann sich ihr Magen genauso zu drehen wie die Gedanken in ihrem Kopf. Es war einfach zu viel, was sie heute erlebt hatte. Und nun schüchterten sie die hohen Wände des Gebäudes ein. Alles hier in diesem Hof verstärkte das Gefühl, in einem goldenen Käfig eingesperrt zu werden.
„Michelle? Was ist mit dir? Wird dir wieder übel?“ Seine Stimme klang besorgt, und er schaute sie forschend an.
Sie atmete langsam und tief. Manchmal konnte sie damit das Unglück hinauszögern. Diesmal nicht. „Ich brauche ein Badezimmer!“
Er zögerte nicht eine Sekunde, hob sie hoch und trug sie ins Haus. In der Eingangshalle stieß er eine Tür auf, durchquerte ein Arbeitszimmer und setzte sie in einem Badezimmer ab.
„Gut, dass ich manchmal auch von hier aus zu arbeiten habe“, murmelte er, während sie zur Toilette stürzte. Dass ihr so etwas in einem fremden Haus, in einem fremden Land passierte! Sie schämte sich schrecklich. Für einen Ästheten wie Alessandro musste es der Gipfel an schlechtem Benehmen sein, was sie ihm jetzt zumutete.
Als es vorbei war, kehrten die Lebensgeister nur langsam zurück. Hinter ihr rauschte es. Sie hob den Kopf und betrachtete die mit grünem Marmor verkleideten Wände. Dann schaute sie sich den ebenso luxuriösen Fußboden an, bis sie zwei große schwarze polierte Lederschuhe entdeckte, auf die Hosenbeine mit scharfen Bügelfalten fielen. Die entlang wanderte ihr Blick hinauf über das gut geschnittene Jackett und die Krawatte bis zu Alessandros Gesicht. Er hob die Brauen und hielt ihr ein Glas Wasser entgegen.
„Danke“, sagte sie und stürzte es hinunter, ohne sich vom Fußboden zu erheben.
„Zählt man das auch noch zur morgendlichen Übelkeit?“, fragte er.
„Keine Ahnung“, bekannte sie. „Es passiert mir zu jeder Tages- und Nachtzeit.“
„Ich werde den Arzt bitten, dir etwas dagegen zu verschreiben.“
„Nein, lieber nicht.“ Sie musste husten. „Es könnte dem Baby schaden.“
„Bist du sicher?“ Er sah sie forschend an.
Sie nickte tapfer.
„Das ist gut.“ Er nahm ihr das Glas ab, reichte ihr die Hand und half ihr beim Aufstehen. Sie stützte sich auf das Waschbecken.
„Erschöpft siehst du aus, Michelle. Du solltest dich eine Weile hinlegen. Ich bringe dich sofort in dein Schlafzimmer. Doch vorher will ich noch schnell den Hausarzt …“
Michelle hob die Hand. „Das ist nicht nötig. Wirklich. Die Reise war vielleicht zu anstrengend. Und ich habe seit dem Frühstück nichts mehr zu mir genommen.“
Er streichelte gedankenverloren ihre Schulter. „Mein Fehler. Ich hätte darauf bestehen sollen, dass du etwas isst. Besucher sind jetzt auch zu viel für dich. Du musst dich erst einleben. Morgen werde ich als Erstes den Doktor anrufen. Nur so zur Sicherheit. Medikamente sind vielleicht wirklich nicht gut. Du brauchst eher gutes Essen und gesunde Getränke. Frisches, das Beste aus der Region, natürlich. Dann wird mein Erbe gut gedeihen.“
Seine Worte taten ihr wohl, und gleichzeitig machten sie sie unglücklich.
Ihr wurde alles aus der Hand genommen, sie hatte gar nichts mehr zu bestimmen. Das Baby übernahm die Herrschaft über ihren Körper, Alessandro regelte den Rest ihres Lebens. Das empfand sie nicht als Hilfe. Im Gegenteil. Dieser Tag hatte ihr nichts als Anstrengung, Aufregung und Unruhe eingetragen. Der seelische Stress und die körperliche Schwäche stürzten sie in Verzweiflung.
„Das alles habe ich nicht gewollt“, brach es aus ihr heraus.
Alessandro seufzte. „Es ist nun mal passiert.“
Er legte ihr den Arm um die Taille, um sie beim Gehen zu stützen. Sie fühlte sich so wackelig auf den Beinen, dass sie sich an ihn lehnen musste. Er ließ es geschehen. Trotz seiner Wut auf sie zuckte er nicht zurück. Dafür war sie dankbar. Sie schloss die Augen und versuchte, an nichts als das Baby zu denken.
„Das Haus der Castiglione wird weiter bestehen“, sagte er gedankenverloren. „Ich werde das beste PR-Team des Landes engagieren.“
„Warum?“, fragte sie mit schwacher Stimme.
„Um unseren guten Ruf zu bewahren. Ich möchte nicht, dass die Presse höhnt, wir hätten heiraten müssen.“
Das hatte ungewöhnlich scharf geklungen. Ihr fehlte die Kraft zu fragen, warum. Als könnte er ihre Gedanken lesen, nahm er ihre Hand und drückte sie flüchtig.
Inzwischen hatte sie die
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