Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
dachte, die Schwangerschaft verändert deinen Körper ganz und gar.“
Seine Stimme klang dunkel und verführerisch wie im Sommer. Sein Blick schien sie zu beschwören. Inzwischen war er ihr so nah gekommen, dass sein Atem ihre Stirn streichelte. Gleich würde er sie küssen. Sie genoss die knisternde Atmosphäre, die Spannung, die sie zueinanderzog. Schließlich schloss sie die Augen, wartete auf die Berührung seiner Lippen und vergaß alles. Dass sie müde war, traurig und einsam … Der Kuss würde himmlisch sein. Ihr Herz klopfte vor Erwartung, als wollte es zerspringen.
Dann spürte sie, wie Alessandro zögerte, als würde er von etwas anderem abgelenkt. Jemand rief ihn. Michelle öffnete die Augen. Ein Zimmermädchen kam auf ihn zugelaufen und überbrachte ihm eine Nachricht. Er antwortete mit einem Lächeln. Die beiden wechselten ein paar Worte in ihrer Sprache. Michelle verstand nichts und fühlte sich schmerzvoll ausgeschlossen.
Schließlich ging das Mädchen davon. Weder sie noch die anderen schienen sich darüber zu wundern, dass er eine junge Frau mitgebracht hatte. Offenbar waren sie daran gewohnt, dass er Damenbesuch bekam.
„Deine Zimmer sind fertig.“ Seine Stimme klang sachlich.
Sie waren sich wieder fremd geworden.
Am Ende des Flurs öffnete er eine schwere Eichentür. „Das ist dein Reich, Michelle. Es wird dir bestimmt gefallen.“
Immer noch niedergeschlagen von der Erkenntnis, dass sie nur eine von vielen in einer ganzen Reihe von Frauen war, die er hierher mitnahm, betrat sie den Raum mit keinerlei Erwartungen und wurde mehr als überrascht. Vor ihr lag kein einfaches Gästezimmer, sondern ein großer sonnendurchfluteter Raum mit bequemen, um einen Couchtisch platzierten Sesseln. Hinter den Glastüren entdeckte sie einen breiten Gang, dessen Decke von Säulen getragen wurde, und sogar einen der Türme der Villa.
Wortlos folgte sie Alessandro hinaus auf die Loggia, lehnte sich über die Balustrade und sah über eine steil abfallende Böschung in die Tiefe. „Das ist ja wie auf dem Dach der Welt“, rief sie.
„Sei vorsichtig. Von hier kann man tief stürzen“, warnte er und zog sie an der Schulter wieder zurück. „Lass uns zum Turm gehen.“
Doch sie konnte sich noch nicht lösen von dem Blick ins Tal mit kleinen bäuerlichen Ansiedlungen zwischen abgeernteten Feldern in allen Schattierungen von Beige bis Ocker. Von dort aus zogen sich kleine Wälder, Olivenhaine und in schnurgeraden Reihen angebaute Weinstöcke wieder hinauf zu einer Anhöhe, hinter der in blauen Dunst getauchte bucklige Berge thronten.
„Wir essen bald“, mahnte er. „Du wirst noch viel Zeit haben, das alles zu betrachten.“
Michelle seufzte. Diese herrliche Aussicht jeden Tag zu genießen war sicher wunderbar. Und doch fühlte sie sich ein bisschen wie Rapunzel, die bis zu ihrer Befreiung in einem Turm eingesperrt lebte. Für sie hingegen gäbe es kein Entkommen, denn es war ja ihr Prinz, der sie gefangen hielt.
„Komm!“ Alessandro deutete auf das Ende der Loggia.
Und wirklich, sie war in einem Turm untergebracht, der aus einem Märchen hätte stammen könnten. Alessandro zeigte ihr das sonnige Wohnzimmer, das eine Terrasse mit atemberaubender Sicht hatte. Danach betraten sie einen Wintergarten. Wegen der vielen Blumen, Kräuter und Zitronenbäumchen hätte man ihn auch als Gewächshaus bezeichnen können. In den Duft von Früchten und Blumen mischte sich der von würzigen Speisen. Der Tisch war für zwei Personen gedeckt, die Speisen waren bereits aufgetragen.
„Lass uns den anstrengenden Tag vergessen, Michelle“, sagte Alessandro. „Ich hoffe, dir schmeckt unser Essen.“
Sie setzte sich auf den Stuhl, den er für sie herangezogen hatte, und stellte erstaunt fest, dass sie einen Bärenhunger hatte. Die Leckereien ließen ihr das Wasser im Munde zusammenlaufen. Allein wie gut sie rochen! Wenn sie müde aus der Galerie gekommen war, hatte sie selten die Kraft gefunden, aufwendig zu kochen. Und nun dieses Festmahl!
Alessandro zündete die Kerzen in dem Kandelaber an. Ihr sanftes Licht verbreitete romantische Stimmung. Der kleine Tisch machte das Sitzen intim, und sie stieß versehentlich gegen sein Knie. Schon fiel es ihr schwer, seiner Konversation zu folgen.
„Das ist nur eine kleine Auswahl dessen, was der Koch des Hauses zubereiten kann. Wenn du auf etwas Appetit hast, erfüllt er dir jeden Wunsch.“ Er reichte ihr eine Schale. „Greif zu!“
Diesmal berührten sich ihre Finger.
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