Sueße Verfuehrung an der Cote d'Azur
weniger.
Jedenfalls hatte er das gedacht.
Und nun trafen sie sich nach Monaten wieder. Doch die Umstände hätten nicht komplizierter sein können. Verstohlen beobachtete er sie, wie sie ihr Wasser trank, und – bekam Schuldgefühle. Er hatte dieser großartigen Frau die Unschuld und die Unbeschwertheit genommen.
Vertrauen war eine heikle Angelegenheit. Das wusste er nur zu genau. Deshalb gab er nie mehr, als er zu verlieren bereit war. Er gehörte eher zu den umsichtigen Menschen. Auch, was Frauen anging. Michelle war die erste Frau, bei der er sich und seine Prinzipien vergessen hatte. Er war einfach verrückt nach ihr gewesen. Nicht sie, sondern er hatte unbeherrscht gehandelt und den ersten Schritt getan. Sie war auch die erste Frau, vor der er geflohen war. Allein der Gedanke beunruhigte ihn.
In ihm war irgendetwas heimlich gewachsen, wie das Sandkorn in einer Auster zu einer Perle wuchs. Anfänglich hatte er das als merkwürdiges Ungleichgewicht in seinem Gefühlshaushalt empfunden. Doch dann hatte es sich von Tag zu Tag verstärkt. Worauf es hinauslief, wusste er nicht. Aber an den Moment, in dem alles begonnen hatte, konnte er sich gut erinnern.
Und sofort stand ihm wieder die Szene vor Augen. Der Hubschrauber, der ihn nach „Jolie Fleur“ geflogen hatte, hob wieder ab in einen Himmel, der so blau war wie das Gewand der Madonna auf Renaissancegemälden. Und dann hatte er die Frau gesehen. Sofort hatte er entdeckt, dass sie gefangen und ihm sozusagen ausgeliefert war. Kein italienischer Mann hätte das Delikate dieser Situation nicht empfunden. Das war der Moment gewesen, in dem er seine Arbeit vergaß. Und als sie ihn aus großen schönen Augen ansah, war es um ihn geschehen gewesen.
Danach war alles wie zwangsläufig passiert. Jedenfalls hatte er sich an keine Regel mehr gehalten. Zugutehalten wollte er sich allerdings, dass er bis dahin keine einzige Frau mit einem so natürlichen Charme kennengelernt hatte. Ihre Ausstrahlung war entwaffnend und hatte ihn blind gegen die Gefahr gemacht. Deshalb hatte er im Garten die Arme nach ihr ausgestreckt und mit ihr geschlafen. Das bereute er nun. Denn sie war noch Jungfrau gewesen, und das gab seiner Annäherung etwas Unehrenhaftes. Sie hätte es ihm rechtzeitig sagen müssen. Ihr Schweigen fand er noch verwerflicher als sein Verhalten.
War sie im Grunde nicht so wie alle Frauen? Sobald sie einen reichen Mann trafen, versuchten sie, Vorteile für sich herauszuschlagen. Doch er wusste auch, was passierte, wenn weder die Frau noch der Mann bereit waren, Verantwortung für die Konsequenzen ihres Handelns zu übernehmen. Sein Kind sollte diese Erfahrung nicht machen. Das war das einzig Wichtige, nicht seine oder Michelles Gefühle.
„Ich gehöre nicht zu den Männern, denen es egal ist, ob sie uneheliche Kinder in die Welt setzen, Michelle“, sagte er.
Sie schaute ihn an und ahnte, womit er haderte.
„Mich interessiert nur das Baby. Das unschuldige Kind braucht Eltern mit Moral und Verantwortungsgefühl.“
Wie konnte er so mit ihr sprechen? Wusste er denn nicht, dass nur Liebe eine Familie zusammenhalten konnte? Davon war bei ihm keine Spur zu entdecken. Er sprach und benahm sich wie ein engstirniger Prinzipienreiter, in dessen Nähe sie sich zunehmend wie eine Gefangene fühlte.
„Das halte ich nicht länger aus“, rief sie. „Sobald wir gelandet sind, setze ich mich in das nächste Flugzeug nach England.“
Er nahm demonstrativ langsam einen Schluck aus seinem Glas. „Nein, du kommst mit mir in meine Villa. Wenn du die Mutter meines Kindes sein willst, musst du bereit sein, meine Frau zu werden. Du wirst im Gästetrakt untergebracht. Wenn wir ankommen, ist alles für dich vorbereitet. Es wird dir an nichts mangeln.“
Michelle blinzelte und verstand nicht. „Dann hast du das wirklich ernst gemeint, als du mich deine Verlobte nanntest?“, flüsterte sie.
„Mit so etwas treibe ich keine Scherze.“
„Und wenn ich Nein sage?“
Er trank sein Glas aus und füllte nach. „Das wirst du nicht, wenn du klug bist. Ich brauche einen Erben. Du bist die Mutter meines Kindes. Wenn du mich heiratest, werde ich nicht nur für das Kind sorgen, sondern auch für dich. Solltest du ablehnen, werde ich um mein Kind kämpfen, sobald es geboren ist. Egal, wie viel es kostet. Selbst den Skandal würde ich dafür in Kauf nehmen. Ich habe die besten Anwälte, Michelle. Du würdest dein Kind nicht mehr sehen und keinen Cent von mir bekommen.“
Seine Augen
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