Suesse Versuchung
gleich dasselbe passieren.
Melinda nahm ihm das Tuch aus der Hand und legte es vorsichtig auf sein Auge.
Das sieht schlimm aus. Was hast du denn mit Sophie gemacht?
Zwanzig auf den Hintern.
Edward! Du Scheusal! Sie konnte doch nichts dafür.
Sie hätte nicht hingehen sollen!, fuhr Edward auf. Mir reicht es jetzt mit dir und
deinem verdammten Galan! Wie oft habe ich dir gesagt, du sollst dich von Jonathan
fernhalten! William war wie von Sinnen! Er hätte dich oder noch schlimmer Sophie
erschießen können! Herrgott noch mal, ich hatte, als ich sie dort fand und dein
gehörnter Idiot von Mann mit der Pistole herumfuchtelte, einen Todesschrecken, den
ich nicht einmal in Worte fassen kann! Und dann droht sie mir auch noch, mich zu
verlassen! Er sank nach diesem Ausbruch erschöpft in seinen Lehnstuhl zurück. Ich
würde es nicht ertragen, wenn jemand auf sie schießt und sie getötet wird. Wie in
diesem Albtraum. Das war etwas, das nicht wahr werden durfte. Niemals.
Melinda musterte ihren mühsam nach Fassung ringenden Bruder voller Mitgefühl.
Dann fragte sie: Wo ist Sophie jetzt?
Edwards heiles Auge funkelte wütend. Was weiß ich? In ihrem Zimmer vermutlich.
Oder eher im Stall. Schmollen und Rosalind erzählen, was für einen brutalen Ehemann
sie hat.
Wer ist Rosalind?
Ihr Pferd. Sie redet mit ihr.
Melinda hob das Taschentuch etwas an und betrachtete das zugeschwollene, rötlichblaue
Auge, die Lippe. Dabei ist sie eine so zarte Person. Sie scheint stärker zu sein
als sie aussieht.
Das war Vaters Schreibkasten mit dem alten Tintenfass, den Federn und dem
Siegelwachs. Sie hat ihn gepackt und mir darübergedonnert. Schneller, als ich mich
bücken konnte.
Melinda kicherte. Deine Sophie ist unternehmungslustig, nicht wahr?
Sei bloß
Schon gut, schon gut. Ich weiß, es ist meine Schuld. Und es tut mir wirklich leid. Ich
bin gekommen, um dich und Sophie um Verzeihung zu bitten. Sie tätschelte ihrem
Bruder liebevoll die Hand. Weißt du, Edward, es gefällt mir, dich so verliebt zu
sehen. Ich hätte dir das nicht zugetraut.
Halt den Mund.
Nein, es gefällt mir wirklich. So kenne ich dich gar nicht. Ich hätte überhaupt nicht
gedacht, dass du jemals heiratest. Du warst früher ein schrecklicher Weiberheld, der
sich nie festlegen konnte. Und später hätte ich nur eine dieser eleganten, kühlen
Frauen erwartet, die sich gut in den Salons und im Ballsaal machen und sonst genau
wissen, wo ihr Platz an der Seite ihres Mannes ist. So wie man das von mir erwartet
hat, fügte sie mit leichter Bitterkeit hinzu. Aber plötzlich hast du eine Schottin, die
als Junge herumläuft, und die meinen kühlen Bruder dazu bringt, sie vor Zorn übers
Knie zu legen. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Du bist
viel zu kalt nach James Tod geworden.
Edward wandte sich ab.
Willst du mir nicht erzählen, was damals war?, fragte Melinda sanft. Es wird dich
erleichtern, und James war auch mein Bruder. Ich trauere ebenso um ihn wie du.
Aber du hast nicht zugesehen, wie er starb.
Und ich bin auch nicht an deiner Stelle von den Franzosen gefangen genommen
worden, setzte Melinda ruhig hinzu.
Nein, sagte Edward, ich will nicht darüber reden.
Dann erzähle es Sophie. Melinda streichelte über sein Haar. Sag ihr, was
geschehen ist. Es wird dir gut tun und sie mit dir versöhnen. Sie setzte sich auf das
Bett und strich ihren Rock glatt. Sie sah so traurig aus, dass Edward weich wurde. Er
wusste, was in ihr vorging. Wenn sie auch nur halb so verliebt in Jonathan war wie er
in Sophie, dann musste sie verdammt leiden. Er hatte Sophie wenigstens in seinem
Haus und seinem Besitz. Sie gehörte ihm, und wenn sich alles geklärt hatte, sie sich
für diesen Angriff entschuldigte, dann konnte er sie jeden Tag seines Lebens sehen, sie
besitzen, sie lieben. Und wenn nötig, dieses reizvolle Hinterteil abermals mit der
flachen Hand bearbeiten. Melinda dagegen würde Jonathan, jetzt, wo William
zurückgekehrt war, verlieren.
Was wirst du tun, Melinda? Er war besorgt um sie. Wenn sie William verließ, dann
hatte das nicht nur für sie gesellschaftliche Konsequenzen, sondern unter Umständen
auch für Jonathan. William hatte damit gedroht, Jonathan zu ruinieren. Er konnte dies
aufgrund seiner Kontakte spielend leicht tun, gleichgültig, wie verdient sich
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