Suesse Versuchung
Todesangst
und das Gefühl, völlig schutzlos und ausgeliefert zu sein.
Wenn du vernünftig bist und mitspielst? Gar nichts. Dann darfst du gehen und
niemand wird dir auch nur ein Härchen krümmen. Aber sprechen wir drinnen weiter.
Es gehört sich nicht, eine Dame im Freien stehen zu lassen. Winston winkte einem
seiner Männer. Verbindet ihr die Augen.
Ein heruntergekommenes Subjekt näherte sich Sophie. Sie trat einen Schritt zurück.
Damit werden Sie nicht durchkommen. Nur nicht zeigen, wie sehr sie sich
fürchtete.
Damit bin ich schon durchgekommen. Und dir würde ich raten, dich zu benehmen.
Ich bin nicht dein Mann. Ich lasse dir nichts durchgehen.
Man legte ihr ein Tuch um die Augen, wohl eher einen Lappen, dessen Gestank ihren
ohnehin schon sensiblen Magen sofort in Aufruhr versetzte und sie würgen ließ.
Sophie versuchte langsam durchzuatmen, möglichst wenig zu schnuppern, und nicht
näher über diesen Fetzen nachzudenken.
Jemand fasste sie am Arm, und sie stolperte mit verbundenen Augen neben den
Männern her. Gelegentlich hörte sie Winstons Stimme, der leise Befehle gab. Dumpfer
Geruch und Kälte schlugen ihr entgegen. Erinnerungen an ähnliche Gerüche,
Geräusche, das Hallen ihrer Schritte stiegen in Sophie hoch. Das war wie damals in
dem Bergwerk. Hatte man sie ebenfalls in einen alten Stollen gebracht? Gab es welche
in der Umgebung von Eastbourne? Sie versuchte sich zu erinnern, wie lang die Fahrt
gedauert hatte. Ihr war sie endlos vorgekommen, aber in Wirklichkeit konnten sie
nicht länger als zwei Stunden unterwegs gewesen sein. Oder sollte sie sich so irren?
Sie wandte den Kopf dorthin, wo sie Winston vermutete. Wo sind wir hier? In einem
Bergwerk?
Fast, mein kluges Kind. Es sind alte Schmugglerhöhlen. Winston war ganz dicht
neben ihr. Hier haben sich früher berühmte Banden herumgetrieben, aber seit die
Höhlen einmal ausgeräuchert wurden, standen sie leer und wurden im Laufe der Jahre
vergessen. Ein perfektes Versteck für uns.
Wurden diese Männer nicht alle gefangen und gehenkt? Haben Sie keine Angst,
dass es Ihnen ebenso ergeht?
Dir wird dein freches Mundwerk noch vergehen, sagte Winston ohne jeden Ärger.
Sophie verstummte. Ihr war eingefallen, dass sie die Schritte zählen könnte. Das
hatten Patrick und sie in dem Bergwerk auch gemacht, weil sie die Länge der Gänge
hatten feststellen wollen. Vielleicht half es ihr weiter, wenn sie ungefähr wusste, wie
tief die Höhlen in den Berg hineinführten.
Sie bogen zweimal ab. Einmal wurde eine Tür vor ihnen geöffnet, deren Knarren
Sophie durch Mark und Bein ging, dann fiel sie hinter ihnen zu. Sie lauschte
angestrengt und hörte an den Schritten, dass einige Männer zurückgeblieben waren.
Endlich hielten sie an.
Jemand griff nach dem ekligen Tuch, das man ihr um die Augen gebunden hatte, und
Sophie blinzelte in das Licht zweier Lampen. Sie sah sich um. Vor der Höhle waren
noch mindestens acht Männer um sie herumgestanden, und in einiger Entfernung hatte
sie noch etliche bei einem Wagen gesehen. Nun befand sie sich mit Winston Sophie
hatte sich schon längst entschlossen, das unverdiente Sir wegzulassen und zwei
anderen Männern allein. Einer davon war ein groß gewachsener Mann mit einer
Miene, als hätte er sein Leben lang nicht einmal gelächelt. Sie erinnerte sich, ihn schon
bei Marian Manor gesehen zu haben. Wenn er hier war, war vielleicht auch Jonathan
in der Nähe. Er würde doch wohl nicht zulassen, dass man sie tötet, oder?
Sie schienen sich am Ende eines Ganges zu befinden. Vor ihnen war in der Wand
eine kleine Einbuchtung wie eine Nische, in die Winston eine Kerze stellte.
So. Und nun zum geschäftlichen Teil.
Sophie sah ihn abwartend an. Ihre kopflose Panik war etwas vergangen. Sie hatte
immer noch Angst, so dass ihre Hände zitterten, aber sie konnte wieder besser denken.
Es hatte ihr geholfen, die Schritte zu zählen, auf den Widerhall der Geräusche zu
lauschen und sich die Richtung zu merken. Es hatte sie abgelenkt und ihr das Gefühl
vermittelt, nicht vollkommen preisgegeben zu sein.
Was haben Sie mit meinem Pferd gemacht?
Dein Pferd?
Als Sie mich überfallen haben, habe ich noch gesehen, wie einer Ihrer
Schergen
nach Rosalind griff.
Rosalind? Winston lachte spöttisch. Ein hübscher Name für ein hübsches Pferd.
Wir haben Rosalind natürlich mitgenommen. Vielleicht lässt sich noch etwas
Weitere Kostenlose Bücher