Suesse Versuchung
entdeckte, wer sie wirklich war,
ließ er bestimmt demnächst bei Henry eine Bemerkung darüber fallen. Andererseits
ließ ihr die Sache mit dieser Frau immer noch keine Ruhe. Lord Edward hatte sie
verfolgt, und die Frau war aus Angst davongelaufen, darüber gab es keinen Zweifel!
Du solltest wirklich nicht allein durch die Gegend reiten, Junge, riet ihr Captain
Hendricks schließlich. Hier treibt sich manchmal allerlei Gesindel herum. Wieder
dieser prüfende Blick, der sie gar nicht mehr losließ. Sophie begann zu schwitzen. Als
sie hinüberblinzelte, sah sie, dass sein Auge auf ihrer Brust ruhte. Sie zog sich die
Jacke enger zusammen. Sie war nicht so gut ausgestattet wie diese Frau, aber immer
noch busig genug, um die Jacke zu wölben. Wenn er dahinterkam, wer sie war,
erzählte er ganz bestimmt Henry davon. Oder sogar Tante Elisabeth! Und deren
Reaktion wollte sie sich nicht einmal vorstellen. Ganz zu schweigen davon, dass ihre
Ausflüge dann sehr rasch ein trauriges Ende gefunden hätten.
Sie musste etwas tun, um wie ein Bursche zu wirken. Und das schnell. Was würde ihr
kleiner Bruder in diesem Fall machen? Ja, genau. Sie räusperte sich, nahm allen Mut
zusammen, und dann spuckte sie aus, geradewegs zu Captain Hendricks hinüber. Sie
verfehlte nur knapp den Huf seines Pferdes. Eklig, aber männlich. Männlicher gings
schon nicht mehr. Sie schielte Beifall heischend zu Lord Edward hinüber.
Dieser sah zuerst ungläubig auf den Boden, dann hob sich sein Blick mit gefährlicher
Langsamkeit zu ihr, erfasste sie. Seine ganze Miene drückte blanken, an
Fassungslosigkeit grenzenden Unglauben aus. Sophie hielt seinem Blick tapfer stand,
bis er sich mit einer fahrigen Gebärde über das Gesicht fuhr und sie dann mit einer
raschen, sehr entschlossenen Bewegung packte, um sie hinter sich zu schieben. Er
wandte sich an Jonathan Hendricks.
Ich glaube, es ist besser, Sie bringen diese Dame jetzt endlich weg und sorgen dafür,
dass sie etwas zum Anziehen bekommt. Er deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus
der die Frau bei ihrer Flucht gekommen war.
Hendricks grinste. Ja, das finde ich auch. Es war mir jedoch ein morgendliches
Vergnügen, Sie alle zu sehen. Der Captain nickte Lord Edward zu und blinzelte
Sophie sogar an. Vielleicht treffen wir uns ja wieder.
Guten Weiterritt. Lord Edwards Stimme klang kalt. Er bückte sich, hob seinen
Rock auf und schüttelte ihn aus, bevor er ihn wieder anzog und auch seinen Hut
aufhob.
Sophie fasste nach Rosalinds Zügel, als Hendricks sein Pferd wandte und
davongaloppierte. Sie sah den beiden aus schmalen Augen nach. Was steckte da wohl
dahinter?
Warum ist die Frau vor Ihnen davongelaufen? Als keine Antwort kam, wandte sie
sich nach Lord Edward um. Er stand dicht vor ihr. Breitbeinig, mit in die Hüften
gestützten Fäusten und einem Ausdruck im Gesicht, als würde er sie verprügeln
wollen.
Haben Sie den Verstand verloren? Seine Stimme klang kühl, aber seine Augen
waren zornig. Wissen Sie nicht, wie gefährlich es ist, alleine auszureiten? Hat Ihnen
das Erlebnis vor einigen Tagen noch nicht gereicht?!
Sophie reckte das Kinn empor. Lord Edward war seit seiner Hilfe während des Balles
meilenweit in ihrer Achtung und Gunst gestiegen, aber nun reichte es. Gut, dass Sie
mich daran erinnern, entgegnete sie kampflustig. Ich muss mich bei Ihnen
entschuldigen. Sie hatten nämlich recht. Sie sind kein Wüstling. Dieser Ausdruck
würde Ihnen gar nicht gerecht. Sie sind ein absolut entsetzlicher Mensch! Und ich
hatte offenbar wirklich Glück, andernfalls wäre ich wahrscheinlich genauso halbnackt
wie diese Frau vor Ihnen davongerannt!
Edward Harringtons Augenbrauen zogen sich bedenklich zusammen. Ist sie nicht.
Ich habe sie nur laufen gesehen und bin nachgeritten. Sollte ich sie etwa
hinunterspringen lassen?
Sophie warf ihm noch einen finsteren Blick zu, dann wandte sie sich zu Rosalind um,
als er zu ihrem Ärger die Zügel ergriff und die Stute wegführte.
Vorsicht, Sie kommen zu nahe an die Klippen. Sophie wollte aufbegehren, aber er
wies auf den Boden. Dort, sehen Sie? Da bricht die Erde auf. An manchen Stellen
kann man bis zum Rand gehen, da ist es sicher, aber hier nicht. Man muss sich
auskennen, wenn man hier reitet. Noch ein Grund mehr für Sie, sich von dieser
Gegend fernzuhalten. Er musterte sie missbilligend. Es ist wohl besser, ich begleite
Sie heim, bevor Sie wieder
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