Suesser Als Blut
stiegen in mir auf, unwillkommene Erinnerungen …
» Ich kann ihr nicht erlauben, die Zuflucht zu betreten, Troll«, sagte eine zischende Stimme, und eine raue Hand legte sich auf meine Stirn. »Sssie leidet unter Sssalaich Sssiol - schon zu lange. Ess ist unheilbar.«
»Aber sie ist eine Fae und obendrein fast noch ein Kind«, entgegnete Hughs brummende Bassstimme. Ich lag halb bewusstlos in seinen Armen. »Der Mensch hat versucht, ihr den Bauch aufzuschlitzen, sie ist schwer verwundet, du kannst sie nicht abweisen. Denk an deinen Eid …«
»Sssie ist …« Die Stimme zögerte unschlüssig. »Sssie mag eine Sssidhe sein, Troll, aber dasss bedeutet noch lange nicht, dass ssie ein Recht auf unseren Schutz hat – vergiss nicht, sssie ist Halb-Vampir. Und wir dürfen die anderen Fae nicht vergessen; es wäre einfach zu gefährlich …«
Mehr hörte ich nicht, weil mich ein Krampf packte und mir das Bewusstsein raubte.
»…bloß weil die Blutsauger dich nicht austricksen oder unter ihren Bann zwingen können, heißt noch lange nicht, dass
sie ungefährlich für dich sind«, hörte ich Finns ruhige, besorgte Stimme sagen. »Ich weiß, wie stark das Gift einen von unserer Rasse beeinflussen kann. Ich habe es selbst erlebt.«
Ich konnte kaum atmen; mein Hals war wie zugeschnürt. Was er sagte, war unwichtig. Was zählte, war allein die Tatsache, dass er Bescheid wusste.
Es war vorbei. Alles war zu Ende.
»Gen, selbst deine Magie wird davon beeinflusst.« Er streichelte mir sanft übers Haar. »Überleg selbst, du bringst nicht mal den einfachsten Zauberspruch zustande. Andererseits kannst du Magie in Mengen absorbieren, die weit ältere Fae umhauen würde. Und dann dein Glamour . Manchmal scheinst du vollkommen leer zu sein, keine Magie mehr, und an anderen Tagen haut mich dein Glamour fast um. Es war verdammt schwer, dir in den letzten paar Monaten zu widerstehen, Gen.«
Es roch kurz nach warmen Beeren, und ich atmete tief ein, um den Duft nicht zu vergessen.
»Du musst es selbst gemerkt haben«, sagte er leise, drängend, besorgt. »Sobald wir einander nahe kamen, hat meine Magie auf die deine reagiert. Das hat mich total durcheinandergebracht. Bis ich kapiert hab, dass du deinen Glamour nicht absichtlich einsetzt, um mich zu betö…«
Es klopfte laut an meiner Tür.
»Beim Zeus, das hab ich ganz vergessen …« Er sprang auf. »Ich hab beim Rosy Lee angerufen, als du dich angezogen hast.«
Ich war wie betäubt, unfähig zu denken. Ich blieb sitzen wo ich war, den Kopf auf die Knie gelegt. Im Moment war mir alles egal. Vom Wohnzimmer drangen Stimmen herein, aber die Worte waren unverständlich. Eine warme Brise strich durchs Fenster, und es duftete nach Lavendel und Zitronenmelisse. Ein tröstlicher Duft. In meinem Innern entfaltete sich ein regenbogenfarbenes Licht, breitete sich mit sanfter, tröstender
Wärme in mir aus: Die Hauselfenmagie, die meine dumpfe Verzweiflung mit zärtlicher Hand verscheuchte.
Ich hob seufzend den Kopf, rieb mir die Tränen aus den Augen und warf einen Blick auf den Wecker. Ich musste los. Alles andere konnte warten.
In diesem Moment ging die Schlafzimmertür auf, und Finn stand mit ungewöhnlich ernster Miene auf der Schwelle.
Neben ihm stand Detective Inspector Helen Crane. Hinter ihr ragte Hughs roter, rissiger Schädel auf.
Ich hatte Polizeibesuch.
33. K apitel
D etective Inspector Crane stand vor meinem Fenster, durch das blendend die Nachmittagssonne hereinschien. Ich konnte lediglich ihre schlanke Silhouette im schwarzen Kostüm erkennen – ihr Gesichtsausdruck blieb verborgen.
Sicher kein Zufall.
»Ms Taylor«, begann sie mit ausdrucksloser Stimme, »können Sie mir sagen, wo Sie gestern um halb zwölf Uhr nachts gewesen sind?«
Die Frage kam nicht unerwartet – ich wusste natürlich, dass dies kein Höflichkeitsbesuch war -, aber falls es um die kopflosen Leichen ging, dann stimmte die Zeit nicht. Ich nahm mir einen Augenblick, um zu überlegen, wo genau ich zu dem Zeitpunkt gewesen war und ob mich das in Schwierigkeiten bringen könnte. Denn lügen war nicht möglich, das ließen weder meine Vampir-, noch meine Fae-Gene zu.
Finn setzte sich mit einem Sprung auf die Anrichte, eine Bewegung, die meine Aufmerksamkeit kurz auf ihn lenkte. Ein Halblächeln auf den Lippen, wirkte er vollkommen sorglos und entspannt. Aber die Haltung seiner Schultern und die angespannten Brustmuskeln verrieten mir, wie nervös er war. Überhaupt war die Atmosphäre zum
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