Süßer die Glocken (German Edition)
kleine Pause für uns. Komm schon, du musst zugeben, dass wir uns die mehr als verdient haben.«
Sarah betrachtete den rohen Berg aus Marzipanmasse kritisch. Bislang war kaum zu erkennen, was einmal daraus werden sollte. Kein Wunder. Es war ja auch noch ihr erster Tag, und wie sie mit einem Blick auf die Uhr feststellte, würde der in nicht allzu kurzer Zeit bereits vorbei sein.
»Kurz vor Mitternacht«, sagte sie ungläubig.
»Ich sag`s doch. Wir haben uns wirklich eine Pause verdient.«
Sarah willigte schließlich ein. Natürlich spürte sie, wie ihre Glieder sich zu versteifen und zu schmerzen begannen. Dennoch hätte sie gerne weiter gearbeitet. Außerdem befürchtete sie, dass sie sich in Riccardos ganz privater Gegenwart wohler fühlen würde als ihr lieb war. Ein wenig befangen folgte sie ihm in die Küche, wo bereits drei weitere Konditorinnen bei einem Kaffeeplausch zusammen saßen. Laetitia kam kurze Zeit später ebenfalls dazu.
»Eure Arbeit ist superb!«, lobte sie überschwänglich. Sie schien immer noch hellwach und war immer noch in ihren Pumps unterwegs. Sarah konnte sie für ihr Durchhaltevermögen nur bewundern. Als sie selbst am Tisch Platz nahm und den ersten Schluck des bitter schmeckenden Kaffees hinunter würgte, fühlte sie plötzlich die Müdigkeit mit voller Wucht über sich hinein brechen. Sie gähnte herzhaft und erntete dafür gemeinschaftliches Lachen.
»Ah, ich glaube, ich sollte meine süße Kollegin lieber ins Bett bringen.« Riccardo streichelte ihr über das schulterlange blonde Haar. Sie hatte gar nicht bemerkt, wie oder wann sich ihr Zopf aufgelöst hatte. Die zärtlichen Streicheleinheiten Riccardos spürte sie jedoch sehr wohl. Sie waren so deutlich und verlockend, dass sie nicht anders konnte als wohlig aufzustöhnen.
Erschrocken schlug sie sich eine Hand vor den Mund. Mit der anderen drängte sie Riccardo, von ihr abzulassen. Laetitia und die anderen Konditorinnen lachten.
Wie hatte sie sich nur so gehen lassen können – und das auch noch an ihrem ersten Tag in Gegenwart ihrer Kollegen?
Widerwillig schüttelte sie sich. Dann schob sie den Stuhl geräuschvoll nach hinten und stand auf.
»Danke, aber ich bin schon groß und finde mein Bett auch alleine«, sagte sie und sorgte damit nur für noch mehr Erheiterung in der Runde.
»Ach, du musst nicht schüchtern sein, Sarah«, säuselte Laetitia als wäre sie beschwipst. »Ich bin Französin. Ich habe vollstesVerständnis dafür, wenn meine Mitarbeiter nicht alleine ins Bett gehen wollen.«
Sarah sah mit offenem Mund von Laetitia zu Riccardo und wieder zurück. Sie fühlte, wie ihr Gesicht vor Hitze brannte. Was war das hier eigentlich für ein Kuppel-Verein?
Die anderen amüsierten sich offenbar großartig. In Riccardos Augen konnte sie ein Funkeln erkennen, das heiß-kalte Lustwellen durch ihren Leib schickte. Wie gerne wäre sie mit ihm hinauf in ihr Zimmer gegangen, um unanständige Dinge anzustellen. Aber das konnte sie nicht tun. Nicht hier, während dieses Projektes.
»Ich bin wirklich müde«, stotterte sie unsicher. »Ich möchte einfach schlafen. – Nur schlafen.«
Sie hörte noch, wie Laetitia ihr ein »Gute Nacht, Cherie« hinterher rief. Im nächsten Moment eilte sie wie vom Teufel gejagt die Treppenstufen zu ihrem Zimmer hinauf.
Die folgenden Tage vergingen ohne Gespräche und abendliche Kaffeerunden. Schweigend arbeitete Sarah an der Seite von Riccardo an dem Fortschreiten der Weihnachtsmannfigur. Es war erstaunlich, wie gut sie sich auch ohne Worte mit ihm verstand. Eine flüchtige Geste genügte und er wusste sofort, welches Utensil sie gerade benötigte. Er folgte sogar ihren Bewegungen, passte sich ganz ihrem Tempo an.
Schließlich waren sie so weit, dass Sarah beginnen konnte, die Bauchmuskulatur auszuformen. Sie genoss es, mit ihren Fingern über die samtige Masse zu fahren und sie an die richtigen Stellen zu drücken und zu schieben. Laetitia wünschte sich einen ausgeprägten Sixpack, und den sollte sie auch bekommen.
Während Sarah den Bauch des Weihnachtsmannes bearbeitete, zog sich Riccardo von dem gemeinsamen Werk zurück. Er positionierte sich hinter ihr, um sie zu beobachten. Ganz deutlich fühlte sie seine Blicke in ihrem Nacken brennen. Unweigerlich schweiftenihre Gedanken ab. Sie stellte sich vor, wie es wohl wäre, Riccardo vor sich zu haben und über seine nackte Haut zu streichen. Ihre Fingerkuppen prickelten. Wie von Sinnen massierte sie das Marzipan in Form. Sie
Weitere Kostenlose Bücher