Süßer die Glocken (German Edition)
hat Stil, nicht wahr?« Die Französin zwinkerte ihr zu. Sie blieb am Ende des Flures stehen und wies der noch immer anerkennend nickenden Sarah den Weg in die Werkstatt.
»Dort entlang, bitte. Laetitia wird Sie in Empfang nehmen.«
Laetitia. Sarah erinnerte sich an das freundliche Telefongespräch mit ihr.
Laetitia Martin war eine Koryphäe im Bereich der Marzipan-Kunst und es galt als besondere Ehre, von ihr zu einem ihrer ausgefallenen Projekte eingeladen zu werden. In diesem Jahr hatte sie die Herstellung einer zuckersüßen Winter-Weihnachts-Welt geplant. Für Sarah ein doppelter Grund zur Freude. Sie schätzte das Angebot ebenso sehr wie sie die Weihnachtszeit liebte.
Die Meister-Konditorin begegnete ihr in einem rosa Rüschenkleid mit weißer Rüschenschürze darüber. Ihre Füße steckten in halsbrecherisch hohen Pumps, ebenfalls in Rosa. Sarah rätselte, ob sie ihren Arbeitsalltag tatsächlich in diesen Schuhen bestritt. Aber schließlich war sie Französin und wollte das offenbar auf diese Art beweisen.
»Sarah.« Laetitia reichte ihr zur Begrüßung nicht die Hand. Sie strich ihr eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht hinters Ohr und vermittelte ihr mit dieser Geste sogleich eine eigenartige Vertrautheit.
»Laetitia«, antwortete Sarah mit schüchterner Stimme. Sie fühlte die zarte Röte, die ihr in die Wangen schoss. Die Situation war ihr unangenehm, und das versuchte sie mit einem Räuspern zu überspielen.
»Ich habe mich wirklich wahnsinnig gefreut, als ich erfahren habe, dass ich bei diesem Projekt dabei sein darf.«
Laetitia lächelte geheimnisvoll. »Wie ich hörte, bist du eine der Besten. Und ich brauche die Besten, um meine diesjährige Vision zu realisieren. Wir haben nur zwei Monate Zeit.«
»Ja, zwei Monate«, wiederholte Sarah. Sie hatte in den letzten Tagen oft darüber nachgedacht. Zwei Monate waren wirklich kein großzügiger Zeitraum für eine ganze Winter-Weihnachts-Welt aus Marzipan. Es bedeutete Arbeit rund um die Uhr. Wie Sarah nun erfuhr, waren hierfür extra Gästezimmer in dem Anwesen der Confiserie eingerichtet worden. Insgesamt sollten 30 Konditoren in dieser Zeit dort arbeiten und leben. Sarah stellte fest, dass sie überwiegend von Frauen umgeben war, lediglich zwei Männer konnte sie auf Anhieb unter ihren Kollegen ausmachen.
»Das ist Riccardo«, stellte Laetitia ihr den ersten von ihnen auch direkt vor. »Er kommt aus Venedig und ist der Meinung, er wüsste mehr über Marzipan als jeder andere hier. Aber ich halte das für eine ziemlich unverschämte Behauptung.«
Als Antwort gab Riccardo Laetitia einen Kuss auf die Wange und Sarah zur Begrüßung einen auf die Hand.
»Du wirst mit ihm an dem Weihnachtsmann arbeiten.« Der freundschaftliche Ton Laetitias ging in eine geschäftliche Aufgabenzuweisung über. Sie rollte ein Papier mit einer Skizze des Weihnachtsmannes aus. Jedes noch so kleine Detail hatte sie genauestens darauf vermerkt und machte damit ihrem Ruf als Perfektionistin alle Ehre.
Sarah wunderte sich darüber, wie freizügig der Weihnachtsmann gezeichnet war. Aber Laetitia sagte, sie wolle mit ihrem Projekt schließlich keine kleinen Kinder oder irgendwelche Großmütter ansprechen. Ihre Zielgruppe waren junge Leute, die sich ebensosexy fühlten, wie sie ihren Weihnachtsmann entworfen hatte. Damit gab sich Sarah zufrieden, und so machte sie sich gemeinsam mit Riccardo ans Werk.
»Du bist sehr konzentriert.« Es waren die ersten Worte, die Sarah aus Riccardos Mund hörte. Der verführerische Klang versetzte ihr einen angenehmen Schauer. Wie warmer Regen, der ihre Haut benetzte und an sämtlichen Stellen ein wohliges Prickeln hinterließ.
Sarah rekelte sich aus ihrer angespannten Position. Sie hätte nicht sagen können, warum sie das tat, aber sie versuchte ihren Bewegungen so viel Sinnlichkeit zu verleihen, wie ihr nach gefühlten zehn Stunden Arbeit nur möglich war.
»Nun, wir sollten ja auch konzentriert arbeiten, meinst du nicht? Laetitia legt sehr viel Wert auf Detailtreue.«
Riccardo lächelte und Sarah wäre am liebsten dahin geschmolzen. Er sah so verdammt gut aus! Nicht, dass ihr der durchtrainierte Körper unter seinem Kittel nicht schon von Anfang an aufgefallen wäre, aber sie hatte es schlichtweg ignoriert. Solcherlei Ablenkung konnte sie bei diesem – für sie persönlich so wichtigem – Projekt nun wirklich nicht gebrauchen.
»Wie wäre es mit einem Kaffee zwischendurch?«, fragte er.
Sarah hob eine Augenbraue.
»Eine
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