Süßer Mond - Süßer Mond - Dark Guardian - 01 Moonlight
durchgemacht.
»Auf Anraten meines Therapeuten soll ich mich dem, was geschehen ist, stellen, aber ich will es einfach nur vergessen. Ich habe diese Albträume … sie ergeben keinen Sinn.«
Er berührte erneut meine Wange. Es war unglaublich tröstend. Selbst in der Dunkelheit ließ er mich nicht aus den Augen.
»War es Nacht oder Tag?«, fragte er leise.
»Abend. Kurz vor Ende der Dämmerung. Hell genug, um noch etwas zu sehen, aber nicht alles. Noch nicht so dunkel, dass man eine Taschenlampe gebraucht hätte.«
»Ihr wart alle drei zusammen?«
»Ja, sie wollten mir etwas zeigen. Wir hatten uns von den anderen getrennt.« Ich blinzelte und versuchte, die Erinnerung heraufzubeschwören. »Ich hatte ganz vergessen, dass da noch andere waren.« Wer waren sie? Verwandte? Nein, sie hätten mich bei sich aufgenommen. Freunde? Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wer sie waren. Meinst du, das ist wichtig?«
»Ich bin kein Psychologe. Was wollten deine Eltern dir zeigen?«
»Ich kann mich nicht erinnern. Ich hatte vor irgendetwas Angst. Ich hatte etwas gesehen. Ich weiß es nicht.«
»Ich würde mir keine Sorgen machen. Wenn es wichtig ist, wird es dir schon wieder einfallen.«
»Ich dachte, du wärst kein Psychologe.«
»Bin ich auch nicht, aber ich weiß, dass es manchmal schlimmer ist, sich zu sehr zu bemühen als gar nicht.«
»Das ergibt keinen Sinn.«
Seine Zähne blitzten in der Dunkelheit auf. Am liebsten hätte ich ihn mit der Taschenlampe angeleuchtet, um sein Lächeln zu sehen. Hier draußen, weit weg von allen anderen,
wenn er nicht den Anführer spielte und ein Junge wie jeder andere war, fühlte ich mich nicht annähernd so sehr von ihm eingeschüchtert.
»Und warum konntest du nicht schlafen?«, fragte ich, in der Annahme, dass seine erste Antwort nur eine ironische Wiederholung meiner eigenen gewesen war.
»All das Gerede über Werwölfe hat mir Angst eingejagt.«
Er brachte mich zum Lächeln. »O ja, wer’s glaubt, wird selig. Du hast Angst vor dem großen, bösen Werwolf.«
Er grinste. Sein Grinsen war unglaublich sexy.
»Sie glauben, du bist ein Werwolf, Professor Keane und Mason.«
»Tun sie das?« Seine Stimme klang amüsiert.
»Du findest das lustig?«
»Solange sie keine Silberkugeln dabeihaben.«
»Na großartig. Dann glaubst du in Wahrheit auch an den Unsinn?«
»Nein, aber ich will nicht, dass sie auf irgendwelche Wölfe schießen, die uns über den Weg laufen könnten.«
»Dir liegt viel an ihrem Schutz.«
»Ich habe viel Zeit in diesen Wäldern verbracht. Dabei lernt man die Tiere kennen. Ich möchte nicht, dass sie verletzt werden. Genauso wenig wie ich möchte, dass dir etwas geschieht.«
Er senkte den Kopf ein wenig, und ich glaubte mit einem Mal zu wissen, dass er mich küssen wollte. Und nicht nur das - ich sehnte den Kuss verzweifelt herbei.
Ein plötzliches Heulen in der Ferne ließ uns beide erstarren. Es war ein einsamer Ton. Aus irgendeinem Grund musste ich an ein trauerndes Tier denken.
»Wir sollten besser zurückgehen«, sagte Lucas leise und wich zurück.
Ich nickte. »Ja.«
Ich richtete die Taschenlampe auf den Pfad.
»Komm, wir müssen hier lang«, sagte Lucas und zog mich in die entgegengesetzte Richtung.
»Bist du sicher?«
»Ganz sicher.«
Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich derart die Orientierung verloren haben sollte, aber ich folgte ihm. Bald konnte ich unsere schwach beleuchtete Lagerstelle ausmachen.
»Danke, dass du mich begleitet hast«, sagte ich, als wir mein Zelt erreicht hatten.
»Sag mir Bescheid, wenn du wieder mal Lust auf eine Nachtwanderung hast. Es ist nicht sicher, allein zu gehen.«
Erst nachdem ich mich wieder in meinen Schlafsack gekuschelt hatte, kam mir in den Sinn, dass er allein dort draußen gewesen war. Warum war es für ihn sicher und nicht für mich?
Dann hörte ich einen anderen Wolf heulen. Er war viel näher als der erste - ich hätte schwören können, dass er sich direkt vor unserem Zelt befand. Eigentlich hätte ich Angst haben sollen. Aber genau wie bei meinem Spaziergang mit Lucas fühlte ich mich stattdessen geborgen.
Schließlich schlief ich ein, und zum ersten Mal seit Langem wachte ich nicht schreiend auf, als ich von Wölfen träumte.
5
D er nächste Tag unterschied sich nicht groß vom ersten, abgesehen von der rauer werdenden Landschaft. Jeder hatte etwas mehr zu kämpfen. Jeder, bis auf die Sherpas. Irgendwann schlug Lucas vor, die Kiste von Rafe und Connor tragen zu
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