Süßer Tod
Thermometer aus dem Mund nahm und ablas. »Sechsunddreißig vier.«
»Das müsste reichen.«
»Ich habe praktisch nie siebenunddreißig.«
»Okay. Gut. Also, die Sache ist die. Eigentlich solltest du in einem Krankenhaus durchgecheckt werden. In Walterboro gibt es eines. Deine Körpertemperatur ist normal, und dein Kreislauf arbeitet wieder. Bevor meine Taschenlampe ausging, konnte ich noch sehen, dass du die Hand gegen das Fenster gepresst hattest. Da warst du noch bei Bewusstsein, also kannst du nicht lang ohnmächtig gewesen sein. Vielleicht zwei Minuten,
was bedeutet, dass du wahrscheinlich keinen Gehirnschaden abbekommen hast.
Trotzdem sollte der Sauerstoffgehalt deines Blutes überprüft werden. Du hast ein paar Schnitt- und Schürfwunden abbekommen, als ich dich durch die Windschutzscheibe gezogen habe, und möglicherweise eine Gehirnerschütterung. In deinen Lungen könnte sich Sediment abgelagert haben, aber wahrscheinlich keine nennenswerte Menge, weil du sonst mehr husten würdest. Durch die Herzdruckmassage fließt das Blut weiter, bis die Eigenatmung wieder einsetzt, aber die Rettungsmaßnahmen schreiben vor, dass jeder, der in letzter Sekunde vor dem Ertrinken gerettet wurde …«
»Raley?«
»Was?«
»Warum willst du mich nicht ins Krankenhaus fahren?«
Obwohl er ihr lang und breit erklärt hatte, warum das nötig wäre, hatte sie ihm angehört, dass er ihr davon abraten wollte. »Weil ich Angst habe, dass du dort nicht lange überleben würdest.« Er sah keinen Anlass, irgendetwas zu beschönigen. Sie musste die Wahrheit erfahren, und zwar ungeschminkt. »Jemand hat Jay umgebracht. Jemand wollte dich umbringen. Ich glaube, es ist sicherer, wenn dich derjenige für tot hält.«
»Steckt Cobb Fordyce hinter alldem?«
»Oder George McGowan. Vielleicht auch beide.«
»Einer für alle«, wiederholte sie leise seine Worte von vorhin.
»Erst nachdem wir uns getrennt hatten, ist mir aufgegangen, wie verwundbar du bist. Ich wollte dich warnen, aufzupassen und möglichst im Polizeigewahrsam zu bleiben. Nach dem Vorfall hier ist die Sache klar. Wer auch immer Jay umgebracht hat, fühlt sich von dir bedroht.«
»Warum hat man mich nicht gleich umgebracht, als Jay umgebracht wurde?«
»Bestimmt stellen sich der oder die Täter inzwischen dieselbe
Frage und bereuen, dass sie sich die Gelegenheit durch die Lappen gehen ließen.«
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie ihre Ellbogen umklammerte und dann ihre Oberarme rieb. Obwohl es draußen heiß war, schaltete er die Klimaanlage auf Heizen und richtete das Gebläse auf sie.
»Hast du den anderen Wagen gesehen?«, fragte sie.
»Ich konnte ihn nicht erkennen. Zu weit weg und zu dunkel. Mir will nur nicht in den Kopf, woher sie wussten, wo du steckst. Es sei denn, sie haben einen Peilsender an deinem Auto angebracht. Aber warum haben sie dann nicht am Flugfeld auf uns gewartet? Oder warum haben sie uns nicht gleich abgefangen, als ich dich gestern Abend von zu Hause entführt habe?«
»Mein Handy«, sagte sie benommen. »Ich habe es gefunden.«
»Ach was.«
»Kurz nachdem ich vom Flugfeld losgefahren bin, hat es geläutet. Mein Anwalt wollte mich sprechen. Wir haben uns zwei bis drei Minuten unterhalten, dann war der Akku leer. Könnte man das per Satellit aufspüren?«
»Wahrscheinlich schon. Wenn man die nötige Ausrüstung hat und auf die Idee kommt. Hast du Alexander erzählt, wo du bist?«
Sie nickte. »Welche Straße ich nehmen würde und wie weit draußen ich war.«
»Wer das gehört hat, hätte am Straßenrand auf dich warten können. Sobald du vorbeigefahren bist, haben sie sich an dich drangehängt.«
»Genau so war es. Im ersten Moment war ich froh, ein anderes Auto zu sehen.«
»Hast du Alexander irgendwas über mich erzählt?«
»Nein.«
»Hast du irgendwas von dem erwähnt, was ich dir erzählt habe?«
»Nur dass Jays Tod etwas mit dem Brand in der Polizeizentrale zu tun hat. Dass an der Geschichte mehr dran ist.«
Raley atmete tief aus. »Wie gut kennst du diesen Anwalt?«
»Ich bin ihm gestern Vormittag zum ersten Mal begegnet.« Sie warf den Kopf zurück und lachte freudlos. »War das wirklich erst gestern?«
»Sieht so aus, als hätte er dich verraten, Britt.«
»Stimmt.«
»Oder man hat sein Telefon angezapft.«
Sie kamen an einem Ködergeschäft vorbei, in dem nicht nur Lebendköder, sondern auch kaltes Bier, heißer Kaffee, Feuerwerkskörper und die besten Burger der Südstaaten verkauft wurden. Das behauptete
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