Süßes Gift und bittere Orangen: Historischer Kriminalroman
und … «
Anna Lucretia unterbrach ihren Vater.
»Mit dem ersten Toten, dem Boten, hatte er nichts zu tun. Das steht fest. Wer weiß? Verhaftet und verdächtigt könnte er der nächste Tote sein. Doch tot wäre er für uns völlig nutzlos. Diejenigen, die hinter Langhahn stehen, falls sie denn existieren, wollten etwas von Überreiter. Ich denke, ich habe sein Vertrauen gewonnen. Lasst mich bitte versuchen, mehr von ihm zu erfahren. Der Tod des Soßenkochs beweist doch, dass Schreckliches im Gang ist. Es sollte mir leichtfallen, mich ihm zu nähern, denn sein Rivale Widmannstetter ist ab heute offiziell entlassen und unsere Verlobung gelöst. Ich bin wieder Freiwild für ihn.«
Ludwig blickte zu seiner Schwester und zu seinem Berater.
»Ihr denkt wie meine Tochter, nicht wahr?«
Weißenfelder war schneller als Sabina.
»Sehr wohl, Hoheit. Fräulein von Leonsperg hat uns schon weit gebracht. Sie kann noch mehr herausfinden. Doch meine erste Sorge gilt Euch, mein Fürst. Ihr seid in höchster Gefahr. Ich bitte Euch inständig, die Stadtresidenz, die kleiner und übersichtlicher ist als die Trausnitz, nicht zu verlassen. Duldet nur wenige engste Vertraute um Euch! Ich lasse Eure Gemächer Tag und Nacht bewachen, ebenso wie das Haus Fräuleins von Weichs, falls Ihr dieser einen Besuch abstatten wollt.«
Ludwig stimmte ihm zu.
»Meine Schwester, Ihr zieht in die Stuben über den meinen. Ich schicke Euch in zwölf Tagen zwar zu Eurem Gatten zurück, dennoch möchte ich bis dahin Tag und Nacht von Euch Abschied nehmen können. Das werden uns meine Feinde wohl gönnen.«
»Bestimmt, liebster Bruder.« Sabina lächelte gerührt. »So machen wir es. Doch zusätzlich sollten wir meiden, was aus der Hofküche kommt. Ich weiß nicht, welche Hexenbrühen dort brodeln, aber es riecht nicht gut, was dort gebraut wird. Gott sei Dank gibt es hier eine kleine Küche, auch Fräulein von Weichs verfügt über eine. Holen wir Signor Soldani hierher. Er soll das Kochen für uns übernehmen. Der Bautrupp wird von seinen Gehilfen versorgt.«
Ludwig nickte nachdenklich.
»Das, meine Schwester, geht nur bis Weihnachten so. Aber am Heiligen Abend muss ich beim Festmahl auf der Trausnitz erscheinen und während der nachfolgenden Feiertage ebenso.«
»Oder auch nicht, Bruder. Das entscheiden wir, wenn es soweit ist. Vielleicht ist Widmannstetter bis dahin zurück und wir wissen dann, was hier geschieht. Wir haben keine Eile.«
»Ich lasse für die nächsten Tage alles herrichten, Hoheit.« Weißenfelder schien befreit von seiner Verzweiflung.
»Und ich?« Anna Lucretia verbarg ihre Empörung nicht. »Wo bleibe ich? Was passiert mit mir?«
Zu ihrer großen Verblüffung nahm Sabina sie zärtlich in die Arme.
»Du, mein Kind, brauchst doch keine Ratschläge. Wenn du aber unbedingt danach verlangst, dann gebe ich dir diese: Trauere jammernd um Tante und Verlobten! Wickle den Baumeister um deine hübschen Finger! Stecke deine Nase überall hinein! Und schau mich nicht an wie ein trotziges Kind! Ich meine es ernst. Seht Ihr das auch so, mein Bruder?«
Ludwig bedauerte seine vor Wut fast platzende Tochter.
»Mein Täubchen, meine kleine Meise, das sind doch Komplimente, die du bekommst. Niemand lacht dich aus.«
»Ich soll das alles allein entscheiden?«, platzte Anna Lu-cretia heraus. »Und wo soll ich mein Quartier nehmen? Ich … ich … «
»Das, Liebes, bleibt nach wie vor dir überlassen.« Sabina lächelte breit. »Wir vertrauen dir. Doch sag uns, wo du hingehst. Das müssen wir wissen.«
Das Mädchen atmete heftig und biss sich auf die Unterlippe.
»Ja, liebste Tante, ich habe verstanden. Wie Ihr sagt: Wir werden sehen, was jeder neue Tag uns bringt. Ihr bleibt bei meinem Vater hier, ich auf der Trausnitz. So haben wir unsere Nasen, Augen und Ohren überall.«
19
In den folgenden Tagen sah und hörte Anna Lucretia nichts Ungewöhnliches, so viel Mühe sie sich auch gab. Der Tod des Soßenkochs und der Rückzug Ludwigs in die Stadtresidenz erschreckten und lähmten die Bürger Landshuts wie die Bewohner der Trausnitz. Die Tochter des Herzogs wurde gemieden. Ich kann das niemandem verübeln, dachte sie bitter, ich war Johann Albrechts Verlobte. Entweder misstraut man mir, wie man ihm misstraute, oder man hat Mitleid mit der Trauernden. Beides lockert die Zungen nicht.
Aber hatte überhaupt jemand etwas zu sagen? Alles ging seinen Lauf wie vor jedem Weihnachtsfest. Hofften die Menschen so, den Fluch zu bannen? Also
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