Süßes Spiel der Sehnsucht
tanzte. Um genau zu sein, war sie seit ihrer gelösten Verlobung nie mehr auf einem Ball gewesen. Und wenn sie heute ihre Schülerinnen zu Tanzveranstaltungen begleitete, dann stets in der Rolle der Anstandsdame und Anleiterin, die dezent am Rand saß. Was auch angemessener war, denn sie wollte vermeiden, dass man ihr nachsagte, sie wüsste nicht, welches ihr Platz als Lehrerin wäre.
Und jetzt musste sie erst recht vermeiden, dass Gerüchte aufkamen, dachte Arabella, als sie in Marcus ‘ blaue Augen sah. Zwei Dutzend junge Damen beobachteten sie, folglich sollte sie das romantische, sinnliche Zwischenspiel dringend vergessen.
Während er sie über die nächsten Minuten durch die schnellen Schrittfolgen begleitete, hatte Arabella ihre liebe Not, die Fassung zu wahren. Sein Verhalten war über jeden Verdacht erhaben, keine Frage, nur irritierte es sie jedes Mal über Gebühr, wenn sich ihre Hände berührten. Und obschon sie gewöhnlich eine recht passable Tänzerin war, schienen ihr heute auf einmal zwei linke Füße gewachsen zu sein.
Am Ende des Tanzes war Arabella absurd erhitzt und atemlos, weshalb sie es tunlichst vermied, ihre Schwestern anzusehen, die sie und Marcus ganz sicher interessiert beäugten.
Sie wollte eine andere Partnerin für ihn aussuchen, da trat ihre schwierigste Schülerin, Sybil Newstead, keck vor. »Ich wäre gern die Erste, Lord Danvers. Die anderen Mädchen brauchen kaum eingehende Unterweisung, denn nur sehr wenige haben Einladungen zu Sir Alfred Perrys Ball bekommen. Ich habe eine, und Miss Blanchard auch.« Sybil warf Arabella einen überheblichen Blick zu. »Miss Loring ist nicht eingeladen, ebenso wenig wie Miss Roslyn oder Miss Lilian. Sie gelten als zu skandalös, um in den hiesigen gehobenen Kreisen zu verkehren.«
So viel Unverschämtheit ließ Arabella zunächst den Atem anhalten, und Marcus reagierte, bevor sie sich wieder gefasst hatte.
Er zog eine Braue hoch und musterte das Mädchen mit offenkundigem Desinteresse. »Hat Ihnen niemand beigebracht, dass es unhöflich ist, Gerüchte über Respektspersonen zu verbreiten, Miss Newstead? Ich würde meinen, Sie brauchen keine Unterweisung im Tanzen, sondern sollten dringend an Ihren ausgesprochen dürftigen Manieren arbeiten.«
Sybil klappte den Mund auf, während ihr die Schamesröte in die Wangen stieg. Aber wie es aussah, war Marcus noch nicht fertig. »Geben Sie acht, dass Sie ‚ sich nicht mit den falschen Menschen anlegen, denn eine Balleinladung kann jederzeit zurückgenommen werden. Ich bin gut mit Sir Alfred bekannt, wussten Sie das? «
Zwar sprach er leise und gelassen, doch war unmissverständlich, dass er Sybil androhte, sie von der feinen Gesellschaft verstoßen zu lassen, so wie es den Loring-Schwestern einst widerfahren war.
Arabella starrte Marcus an, überrascht und dankbar, dass er sie vehement verteidigte, wenngleich er vielleicht etwas zu hart mit dem Mädchen war. Auf jeden Fall dürfte er Sybil eine Lektion erteilt haben, die sie nicht so schnell vergaß.
Dennoch gab es taktvollere Wege, ihr zu erklären, dass ein derartiges Benehmen inakzeptabel war.
Als das Mädchen schmollte, bemerkte Arabella sanft: »Eine Lady zieht niemals eine Grimasse, wenn ihr missfällt, was ein Gentleman sagt, Sybil. Genauso wenig lässt sie sich zu Bemerkungen herab, die andere verletzen könnten.«
»Sehr wohl, Miss Loring«, murmelte Sybil, deren Wangen immer noch scharlachrot leuchteten.
»Sie wissen, dass in der feinen Gesellschaft jedes Wort und jede Geste über Ihr Ansehen entscheidet. Und Sie möchten doch als Lady angesehen werden, nicht wahr?«
»Ja, natürlich, Miss Loring.«
Arabella lächelte sie aufmunternd an. »Dann möchten Sie vielleicht so freundlich sein, Miss Trebbs Gelegenheit zu geben, als Erste mit Lord Danvers zu tanzen.«
»Ja, ja, natürlich.« Sybil trat zurück, auch wenn es ihr sichtlich schwerfiel, nicht zu widersprechen, warf Arabella aber noch einen bitterbösen Blick zu.
Die ignorierte das verzogene Mädchen und sah Miss Trebbs zu, die hochgradig nervös mit Marcus auf die Tanzfläche trat. Als Arabella sich an den Rand des Saals zurückzog, fiel ihr Blick auf ihre Schwestern. Lily kochte vor Wut und Scham über Sybils unmögliche Äußerung, während Roslyn dieselben Gefühle hinter einer besonders ungerührten Miene verbarg.
Arabella fühlte mit den beiden. Die Schande, die ihre Eltern über die Familie gebracht hatten, verfolgte sie bis hierher, weshalb sie nie in die besseren
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