Süßes Spiel der Sehnsucht
wandte sie sich an Arabella. »Wir wären entzückt, Miss Loring, wenn Sie und Ihre reizenden Schwestern zu unserem Ball kommen könnten«, erklärte Lady Perry mit einer offenbar gespielten Begeisterung, denn sie war diejenige, welche die Loring-Schwestern bisher konsequent ignorierte, wann immer sie ihnen in der Öffentlichkeit begegnete.
Arabella verzichtete darauf, angesichts dieser eklatanten Heuchelei eine bissige Bemerkung fallen zu lassen, und untermalte ihren Dank stattdessen mit einem höchst vornehmen Lächeln.
Sir Albert war ein hochangesehener Bezirksrichter und seine Frau die führende Gesellschafterin der Gegend, mithin galten sie als Vorbild für alle anderen.
Natürlich war Arabella bewusst, dass es unter dem Landadel niemand wagen würde, einen Affront gegenüber jemandem wie dem derzeitigen Lord Danvers zu riskieren, aber ebenso gut wusste sie auch, dass Marcus' unwiderstehlicher Charme ihre Bereitschaft, seinen Wünschen zu entsprechen, nicht unwesentlich beeinflusst hatte. Es beschlich sie sogar eine klammheimliche Freude, während sie beobachtete, wie ein Besucher nach dem anderen buchstäblich jedes Wort aus seinem Munde aufsog. Und nach zwei Tagen hegte sie keinerlei Zweifel mehr, dass es ihm fulminant gelungen war, die Loring-Schwestern in der Gesellschaft vollständig zu rehabilitieren.
Seit er seine täglichen Geschäfte von Danvers Hall aus erledigte, hatte Marcus auch viele eigene Besucher, was Arabella allerdings erst auffiel, als er eines Morgens nach London reisen musste, um im Oberhaus anwesend zu sein, wenn über seinen jüngsten Antrag entschieden wurde.
Erst als sie ihre Überraschung darüber äußerte, dass er sich mit der Tagespolitik beschäftigte, zuckte Marcus lässig mit den Schultern und erklärte: »Meine Ausflüge in die Politik sind noch recht unausgegoren. Mein guter Freund Drew - der Duke of Arden - nötigte mich praktisch, mich für gewisse Fragen zu interessieren. Drew vertritt die These, dass mit dem Privileg des Entscheidungsrechts auch eine Regierungsverantwortung einhergeht.«
Seine Worte stimmten Arabella nachdenklich. Sie hatte bisher kaum Berührung mit Regierungsangelegenheiten gehabt. Ihr Stiefonkel hatte seinen Sitz im Oberhaus nie wahrgenommen, auch wenn sie wusste, dass er und ihr Vater eher konservative Tories denn liberale Wigs gewesen waren, zu denen Marcus sich bekannte. Vor allem aber wurde ihr klar, dass Marcus weit überlegter war, als sie es ihm jemals zugetraut hätte - oder sich gern eingebildet, um ihn leichthin abzutun.
Was sie jedoch am meisten überraschte, war, dass er keinerlei Avancen mehr machte. Ja, er bestand nach wie vor auf der vereinbarten gemeinsamen Zeit, pflegte die intimen Abendessen, aber seine Lektionen in Leidenschaft blieben aus. Und noch verstörender war, dass Arabella zwar einerseits erleichtert war, sich seiner nicht erwehren zu müssen, andererseits aber jedem Beisammensein mit ihm so erregt entgegenfieberte, dass sie hinterher nachgerade enttäuscht war, weil nichts geschah. Marcus küsste sie nicht einmal mehr!
Stattdessen las er ihr nach dem Dinner vor, oder sie spielte das Pianoforte und sang. Manchmal gab es kleine Wortgefechte, aber zumeist unterhielten sie sich bloß.
Er erzählte ihr davon, wie er aufgewachsen war, eben dem britischen Adel entsprechend. Von Geburt an war er an Kindermädchen übergeben worden, hinterher an Lehrer und danach an die Universität. Von seinen Eltern hatte er herzlich wenig gesehen, weil die sich lieber den Zerstreuungen hingaben, die London ihnen bot, statt auf dem Landsitz der Barone Pierce in Devonshire zu bleiben, wo Marcus die ersten acht Jahre seines Lebens verbrachte.
Bis er nach Eton kam, hatte er keine Freunde gehabt. Dann lernte er Andrew Moncrief, den späteren Duke of Arden, und Heath Griffin kennen, der heute der Marquess of Claybourne war. Marcus' Geschichten schilderten Arabella einen einsamen Jungen, der plötzlich erlebte, wie schön es war, »Brüder« zu bekommen, die ebenso abenteuerlustig, unbekümmert und wild waren wie er.
»Was war mit deiner kleinen Schwester?«, fragte Arabella. »Eleanor heißt sie, wenn ich mich recht erinnere.«
Marcus lächelte versonnen. »Eleanor kam unerwartet zehn Jahre nach mir, als ich bereits in Eton war. Aber ich sah sie, wenn ich in den Ferien nach Hause kam. Sie schaffte es von Anfang an, uns alle um den Finger zu wickeln - einschließlich Drew und Heath.«
Bei den Erzählungen von seiner Schwester bekam Marcus
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