Sukkubus - 03 - Kopfüber ins Fegefeuer
vertrauensselig, junger Mozart.«
Schweigen, dann erwiderte er: »Es gibt für alles einen guten Grund.«
»Ach ja? Und was ist der Grund für deine Krankheit?«
»Eine Prüfung …«
Ich stieß ein prustendes Lachen aus. »Oh, selbstverständlich. Dass dein Vater dich und deine Schwester in einem solch gnadenlosen Tempo vorwärtstreibt, das selbst die meisten Erwachsenen bezwingen würde, hat natürlich nicht das Geringste damit zu tun. Die Schuld liegt ganz bei Gott.«
»Was der Herr uns schickt … das müssen wir erdulden. Sagt Papa.«
»So jung und schon so weise. Und so talentiert. Und so vertrauensselig. Aber bei all deiner Weisheit und deinem Talent und deinem Vertrauen weißt du doch herzlich wenig über das menschliche Verlangen. Verlangen in all seinen Facetten.« Lächelnd strich ich ihm eine schweißnasse Locke seines goldenen Haars aus den Augen. »Aber du bist schließlich nur ein Junge.«
Sein Atem klang angestrengt. Der Junge siechte dahin, hier, vor meinen Augen. Nein, das durfte nicht geschehen. Er durfte noch nicht sterben.
Ein Hauch von Magie flackerte über seine Haut und drang in ihn ein. Verbrannte einen Teil seiner Krankheit. Er schlug die Augen auf und rang nach Luft, dann atmete er seufzend aus. Und lächelte. »Ich fühle mich kräftiger.«
»Nur vorübergehend.« Ich beugte mich zu ihm herunter, flüsterte ihm ins Ohr: »Du bist dem Tod geweiht, Wolferl. Dein geliebter Papa hat deine Seele verkauft, um seinen Ruhm zu sichern.«
Der Junge blinzelte, dann wandte er den Kopf ab. Dort, wo seine Wange geruht hatte, war das Kissen feucht vom Schweiß. »Ihr irrt Euch, Herr.« Seine helle Stimme zitterte vor Leidenschaft.
»Wirklich?« Ach, mein Kind, wenn du doch nur heranwachsen dürftest, wenn du diese Leidenschaft in Musik verwandeln dürftest, dann würdest du die Welt erschüttern.
»Mein Vater kommt direkt hinter Gott.«
Ich lachte leise. »Es liegt in der Natur der Guten, Vertrauen zu zeigen, mein Kind. Vertrauen in Gott, Vertrauen in deinen Vater, Vertrauen darin, dass die Welt wahre Schönheit zu schätzen weiß, wenn man sie ihr schenkt. Aber die Menschen sind ebenso schnell dazu bereit, das Schöne zu zerstören, wie sie sich des Hässlichen entledigen. Manche Menschen«, sagte ich, »sind böse.«
»Ich bin krank«, sagte er. »Ihr seid nur ein Teufel in meinem Kopf.«
»Du bist krank, mein Kind, das stimmt. Aber ich bin nicht hier, um dich zu quälen. Ganz im Gegenteil.«
Er drehte den Kopf, um mich anzusehen. »Ich verstehe nicht.«
»Als ich dich vor Wochen spielen hörte, da war ich absolut hingerissen.« Allein die Erinnerung an jene Melodien, die er selbst erschaffen hatte, jene Klänge, die den Raum erfüllten, sendete einen Rausch von Sinneseindrücken durch meinen Körper – so anders als Sex und doch so fesselnd. Erregend. »Was für eine Musik – und das von einem Kind. Du bist die Verkörperung all dessen, was die Menschheit erreichen kann. Du hast ein seltenes Talent, junger Mozart. Eines, das ich gern erhalten möchte.«
Der Junge runzelte die Stirn. »Was meint Ihr damit?«
»Ich kann deine Krankheit verbrennen, Wolferl. Sie kann zurückkommen, und ich könnte sie erneut vernichten. Ich kann dich am Leben erhalten, damit du deine Musik komponieren kannst. Du wirst leben, um die Welt mit jener Schönheit zu blenden, die du selbst erschaffen wirst. Aber das Ganze hat einen Preis.«
Er leckte sich über die trockenen Lippen. »Was für einen Preis, Herr?«
»Du warst dem Stolz versprochen. Ein Blutopfer. Eine Ewigkeit in eisigem Wasser. Und all das nur, damit dein Vater der einzige Mozart wäre, an den die Welt sich erinnert.« Ich strich ihm übers Gesicht. »Aber wenn du dich mir verschreibst, dann werde ich dich markieren. Und dich vor den eisigen Wassern bewahren. Dich zu meinem Eigen machen. Und du, mein Kind, würdest um einiges länger leben. Lange genug, um eine Musik zu komponieren, die dich bei Weitem überleben wird. Eine Musik, die dich unsterblich machen wird.«
»Ihr wollt meine Seele.«
Ich lächelte. »Was ich wirklich will, Wolferl, ist, dass du wunderbare Musik erschaffst.« Seine Seele war lediglich ein Bonus. »Es liegt bei dir. Du musst mein Angebot nicht annehmen. Du musst mir nicht einmal glauben. Vielleicht lüge ich.«
Er starrte mich lange an, bevor er antwortete: »Das Seltsamste daran ist, dass ich Euch tatsächlich glaube.« Er seufzte schwermütig. »Papa lügt.«
»Er ist ein Mensch«, sagte ich schulterzuckend.
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