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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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reagieren.
    »Sind Sie wohlauf?«, krächzte eine entfernt bekannte Stimme am anderen Ende der Leitung. Sie klang ziemlich besorgt.
    »J-ja …« Vor Überraschung verschluckte ich mich an meiner eigenen Stimme. »Worum geht es denn?«
    »Major Nabattschikow, GUWD. Hören Sie, Dmitri Alexejewitsch, ich muss Sie dringend bitten, Ihre Wohnung nicht zu verlassen und niemandem die Tür zu öffnen. Ihr Leben ist möglicherweise in Gefahr.«
    Wohin war der zynische, herablassende Tonfall des Majors verschwunden? Er sprach jetzt ganz anders als bei unserer ersten Begegnung, sehr ernst und konzentriert. Vielleicht zog er diesmal keine Show ab, weil ihm inzwischen neue, beunruhigende Details des Falls bekannt waren.
    »Hören Sie mich, Dmitri Alexejewitsch? Verlassen Sie unter keinen Umständen Ihre Wohnung! Warten Sie auf mich. Ich komme gleich morgen früh bei Ihnen vorbei.«
    »Ja, ja, ich habe Sie verstanden … Ist etwas passiert?« Wenn Nabattschikow tatsächlich einen konkreten Grund zur Besorgnis hatte, dann wollte ich ihn lieber so schnell wie möglich erfahren.
    »Es geht um mehrfachen Ritualmord. Sektierer. Möglicherweise ein Opferkult … He, seid ihr verrückt? In dem
Zustand gehören die doch nicht mehr in den Rettungswagen! Packt sie in Säcke und passt auf, dass alles dicht ist!« Diese letzten Sätze galten natürlich nicht mir. Sie klangen gedämpft, da er offenbar seine Hand auf die Sprechmuschel gelegt hatte.
    »Und was hat das bitte mit mir zu tun?«
    Vorwurfsvoll konterte er mit einer Gegenfrage: »Warum haben Sie mir nichts vom Ende der Welt gesagt?«
    »Was … Sie wissen Bescheid?« Ich dachte gar nicht daran, mich dumm zu stellen oder mich zu rechtfertigen. Alles, was ich spürte, war grenzenlose Erleichterung darüber, dass noch jemand anderes mein Geheimnis kannte, dass es eine lebende Seele gab, mit der ich die Lage ernsthaft diskutieren konnte, ohne eine Einweisung in die Psychiatrie zu befürchten. »Woher wissen Sie es? Glauben Sie daran?«
    »Nicht am Telefon«, unterbrach er mich trocken. »Das sollten Sie am besten wissen. Also nochmals: Warten Sie auf uns, und seien Sie wachsam.«
    Im Hörer klickte es, dann folgte das typische, monotone Quäken. Eine gute Minute lang lauschte ich den kurzen Tönen, dann legte ich endlich auf und schaltete die Sicherungen wieder ein. Ich kehrte ins Zimmer zurück und musterte vorsichtig den Spiegel: keine Spuren übernatürlicher Kräfte. Der Zauber hatte sich wahrscheinlich in demselben Augenblick verflüchtigt, als das Telefon klingelte. Mir gefiel der Gedanke, dass die Bodenständigkeit des Majors mich vor dem Unerklärlichen schützen konnte, dass der stahlharte Griff der Miliz am Ende vielleicht doch stärker war als die tödliche Umarmung jener Fangarme,
die mich in den Sumpf von Yucatán hinabzuziehen versuchten.
    Ich hatte den Major nicht in mein Geheimnis eingeweiht, und doch wusste er etwas. Wie auch immer, ich war bereit, ihm viel zu erzählen. Die ungebetene Bürde, die man mir auferlegt hatte, war zu schwer für mich allein. Ob dem Milizionär klar war, wie folgenschwer ein Gespräch mit mir für ihn sein konnte? Sicher ahnte er es, sonst hätte er mich wohl kaum so eindringlich gewarnt.
    Ich legte mich ins Bett, doch vor lauter Nervosität wälzte ich mich die ganze Nacht herum, versank nur einmal kurz in einem seichten Dämmerschlaf, ohne mich richtig zu erholen. Dafür hörte ich den Major die Treppe heraufkommen und stand bereits auf der Schwelle, als er gerade an meiner Tür läuten wollte.
    Nabattschikow hatte eine nüchterne Aktentasche aus billigem Lederimitat in der Hand. Ohne die Schuhe auszuziehen, ging er schnurstracks in die Küche, als wäre er hier zu Hause, pflanzte die Tasche auf den Tisch und blickte mich vielsagend an. Ich wartete ab.
     
    »Sie haben doch nicht im Ernst geglaubt, dass Ihre Beteiligung an der Geschichte den Ermittlungsbehörden verborgen bleibt?«, fragte er und setzte ein ironisch gutmütiges Lächeln auf, als wäre er der Großinquisitor.
    »Verstehen Sie«, begann ich nervös, »die Umstände sind einfach so außerordentlich, dass ich sogar an meinem gesunden Menschenverstand gezweifelt habe. Sie haben doch die Spuren des Jaguars selbst gesehen. Nur ist das noch nicht alles: Es war auch ein Golem hier …«

    Er runzelte die Stirn. »Es existiert weder ein Jaguar noch ein Golem. Sie sind doch ein erwachsener Mensch. Also reden Sie keinen Unsinn.«
    »Wie bitte?«, protestierte ich, doch er winkte

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