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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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wieder verstohlen nach allen Seiten umblickte und seine Ware im leicht geöffneten Aufschlag seines Mantels aufbewahrte. Wie so oft drang der Sinn der Buchstaben, die ich las, nicht gleich in mein Bewusstsein. Als ich ihn jedoch begriffen hatte, erstarrte ich für einen Moment, als hätte mich der Schlag getroffen, und drehte mich dann abrupt um, um nachzusehen, ob der Verkäufer noch da war und ob ich den Buchtitel infolge meiner langen und fruchtlosen Suche nicht vielleicht doch nur geträumt hatte.

    Die Chroniken der Maya-Völker und die Eroberung Yucatáns und Mexikos.
    Noch ehe ich nach dem Preis fragte, hielt ich bereits meine Geldbörse in der Hand.
    An dem Buchverkäufer war absolut nichts Bemerkenswertes: dunkelblonde, grau melierte Haare, unauffällige, nicht besonders einprägsame Gesichtszüge - weder voll noch hager -, wässrige, blassgraue bis blassblaue Augen, dunkler Mantel. Ich stand unmittelbar vor ihm, doch er tat aus irgendeinem Grund so, als bemerkte er mich nicht. Erst als ich mich nach dem Inhalt des Buches erkundigte, heftete der Mann einen kalten, prüfenden Blick auf mich, als wollte er herausfinden, ob ich würdig sei, sein wertvolles Handelsgut zu erwerben. Schon begann ich zu vermuten, dass das Buch innen hohl war und eine Plastiktüte mit weißem Pulver beinhaltete, und wenn ich jetzt nicht die Losung sagte, würde der Verkäufer behaupten, der Band sei gar nicht zu verkaufen, und sich in Luft auflösen.
    Nein, er war kein Drogenkurier. Schnell, den Blick fest auf meine Scheine geheftet, nannte er einen Preis, der mir unverschämt hoch erschien. Er bemerkte meine Zweifel, zuckte verächtlich mit den Schultern und erklärte mit kalter Stimme, es handele sich bei dieser Ausgabe um eine bibliografische Seltenheit, die vor fast einem halben Jahrhundert in sehr geringer Auflage erschienen sei, was ein Laie natürlich nicht verstehen könne.
    Ich fürchtete schon, er würde sich weigern, einem Geizhals und Ignoranten wie mir das Buch zu überlassen, also zahlte ich hastig die verlangte Summe, die ihm sicher für die nächsten zwei Wochen ein komfortables Dasein ermöglichte.

    Erst als ich schon fünfzehn oder zwanzig Schritte weitergegangen war, fiel mir plötzlich ein, dass ich den Typen hätte fragen können, ob er noch andere Bücher zu diesem Thema besaß. Doch er war bereits verschwunden, und an seinem Platz stand nun ein rüstiger Greis, der einen umfangreichen Wälzer über Verschwörungstheorien feilbot, die Rudolf Heß während seiner lebenslangen Gefängnishaft verfasst hatte …
     
    Endlich hatte ich die fehlenden Wörter übersetzt und in die Reinschrift eingefügt. Wie gewohnt ließ ich den Durchschlag in meinem Ordner verschwinden, der sich allmählich zu füllen begann, während das Original in der Ledermappe des Auftraggebers landete. Immer deutlicher spürte ich jetzt die Müdigkeit, doch war ich fest entschlossen, mir den nächsten Teil des Buches zu sichern, bevor ich mich hinlegte. Den Weg bis zum Büro legte ich in zehn Minuten zurück.
    Schon auf der Schwelle hörte ich Stimmen. Ich erwartete, jemanden von meinen Kollegen oder gar den Auftraggeber selbst zu erblicken, doch dann begriff ich, dass lediglich der Fernseher lief. Der Büroangestellte saß davor und starrte auf den Bildschirm. Ein zufriedenes Lächeln verzerrte seine Gesichtszüge derart, dass ich ihn zuerst gar nicht wiedererkannte. Anstelle der üblichen säuerlich herablassenden Begrüßung nickte er mir zu, ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden, und flüsterte: »Einen Augenblick … Es ist gleich zu Ende.«
    Ich legte die schwarze Mappe auf den Tisch und suchte mit dem Blick das Regal nach ihrer braunen Zwillingsschwester
ab. Die zweite Mappe war nirgends zu sehen - wahrscheinlich lag sie im Nebenzimmer.
    Der Angestellte drehte den Ton leiser und verkündete stolz: »Schon gehört? Eine von uns ist ›Miss Universe‹ geworden. Eine Moskauerin! Das sind die drei Säulen, auf die sich unser Land stützt: Öl, Waffen und Weiber!«
    Ich schwieg und zeigte nicht das geringste Interesse. Erst jetzt schien er zu begreifen, mit wem er sprach. Er hüstelte, riss sich zusammen, und sein Gesicht verwandelte sich wieder in eine steinerne Maske. Die Röte verließ seine Wangen, und an die Stelle seiner natürlichen Emotionen trat erneut reine Künstlichkeit.
    »Haben Sie den Teil etwa auch schon fertig?«
    Wortlos schob ich ihm die Mappe hin. Er blickte hinein, holte den Umschlag mit meinem Honorar und

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