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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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gedruckt. Das dicke, fast steife Blatt mit der Schutzauflage stach aus der Masse der anderen Seiten heraus - ein Blick auf den Buchschnitt genügte, um den weißen Streifen zu erkennen.
    Sofort musste ich an irgendwelches dubioses Teufelszeug denken und überlegte ernsthaft, ob ich Jagoniel nicht aus dem Fenster werfen sollte. Doch dann war die Versuchung zu groß, den geheimnisvollen Franziskaner einmal aus der Nähe zu betrachten, und so näherte ich mich dem Guardian von Izamal mit lächerlicher Vorsicht, peinlich darauf bedacht, das Buch nicht mit den Händen zu berühren.
    Sein Porträt füllte die ganze Seite aus. Es handelte sich um die Reproduktion eines Ölgemäldes. Man hätte sich schwerlich trefflichere Farben denken können, um Diego de Landa darzustellen: Das kalte Glitzern in seinen Augen war dem Künstler so naturalistisch gelungen, dass ich mich kaum von dem schweren Blick des Priors lösen konnte.
    Es gibt Porträts, die den Betrachter ergreifen und nicht mehr loslassen. Egal, von welchem Punkt aus man diese Bilder ansieht - die dargestellten Personen blicken einem stets direkt in die Augen, sie scheinen zu leben. Das gilt
zum Beispiel für die Gioconda, doch auch andere Arbeiten von Leonardo verfolgen die Museumsbesucher heimlich mit ihrem Blick. Und das ist nicht nur bei da Vinci so: In einem Buch habe ich einmal von einem wenig bekannten spanischen Maler gelesen, der des Satanismus beschuldigt wurde und sogar fast auf dem Scheiterhaufen gelandet wäre, weil ihm seine Porträts so unerhört lebensecht gerieten … Nein, es ging um etwas anderes: Die Menschen, die er gemalt hatte, starben bald darauf, dafür erschienen sie auf seinen Bildern wie lebendig. Ja, ich meine, dass einige sogar glaubten, ihnen sei ewiges Leben verheißen, wenn sie ihre sterbliche Hülle opferten und auf einer dieser magischen Leinwände gebannt wurden. An Auftraggebern soll es dem spanischen Meister jedenfalls nicht gemangelt haben. Ich weiß nicht mehr, wie diese Geschichte endete. Vielleicht diente sie Oscar Wilde als Inspiration für sein berühmtes »Bildnis«. Ein polynesischer Ureinwohner würde diese Geschichte niemals als lächerlich oder unwahrscheinlich empfinden: Wenn ich mich nicht täusche, weigern sie sich noch heute, Modell zu stehen oder sich gar filmen zu lassen. Sie fürchten, dass ihr Abbild ihnen die Lebenskraft raubt … Besagtes Buch hatte jedenfalls ein paar minderwertige Reproduktionen der Werke des spanischen Malers enthalten, die meine Fantasie entzündeten. Ich erinnere mich, dass ich damals beschloss, unbedingt nach Spanien zu reisen, um sie mir aus der Nähe anzusehen. Und dass ich, wie üblich, nicht nur nicht hinfuhr, sondern schließlich sogar den Namen des Meisters vergaß.
    Der Anblick des Porträts von Diego de Landa rief mir diese Geschichte jedoch augenblicklich wieder ins Gedächtnis.
Ich würde nicht behaupten wollen, dass es von der Hand desselben Teufelsmalers stammte, doch schienen ihm gleichermaßen magische Kräfte innezuwohnen. Fray de Landas Abbild war dem Künstler zweifellos gelungen. Es erschien so lebendig, dass ich für einen Moment meine Faulheit bereute, das Spanische nicht gründlicher gelernt zu haben: Sollte das Porträt des Guardians zu mir sprechen, würde ich ihm kaum etwas Vernünftiges antworten können.
    Stilistisch hielt sich das Gemälde an die klassischen Konventionen. Man denke etwa an die Gemälde eines Velasquez. In seinen Porträts sind blasse, wächserne Gesichter und weiße Spitzenkrägen die einzigen Lichtflecken, der restliche Teil der Leinwand ist für gewöhnlich in Dunkelheit getaucht. Die Gesichter sind ausdruckslos und ohne Leidenschaft, wie Totenmasken; nur den Kindern gesteht diese Schule bisweilen ein spitzbübisches Lächeln zu. Auch in der Körperhaltung der dargestellten Personen gibt es keine Überraschungen.
    Insofern schien das Porträt des Franziskaners im gleichen Maße eine kunstfertige Imitation jener Schule zu sein, wie Jagoniels Buch den Status eines seriösen wissenschaftlichen Werks beanspruchte. In punkto Stil war also nichts zu beanstanden. Was jedoch die Figur selbst anging …
    Fray de Landa war en face dargestellt. Die Linien und Furchen auf seinem Gesicht, die der Künstler mit meisterhaftem Gefühl für Licht und Schatten erfasst hatte, die angespannte Krümmung der dünnen, blutleeren Lippen, der aufmerksame Blick aus den dunklen Augen, die an schwarze Oliven erinnerten - all dies vermittelte den Eindruck

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