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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Fieberthermometer unter der Achsel kramte ich zwischen weißen Papierbriefchen und Tablettenröhrchen herum, bis ich eine lösliche Aspirintablette und noch etwas Fiebersenkendes gefunden hatte. Die Quecksilbersäule war bis dicht an die vierzig Grad herangekrochen; die Lage war ernst, ich trank das schäumende Aspirin und nahm die andere Tablette gleich hinterher. Das Wasser aus dem Hahn
roch nach Rost und Chlor, doch ich trank gierig und achtete nicht auf die dünnen Rinnsale, die über mein Kinn liefen. Erst als ich meinen Durst gestillt und mir den Mund mit dem Ärmel meines Hausmantels abgewischt hatte, erinnerte ich mich an einen Film, in dem sich ein Wanderer in der Wüste wild auf eine Quelle in einer Oase stürzte. O ja, in dieser Nacht war auch ich über so manche Wanderdüne geirrt …
    Ich nahm ein großes Glas voll Wasser mit, ließ das Licht in Küche und Diele an und schlüpfte wieder in mein Bett. Gegen Morgen war das Fieber etwas gesunken, doch sollte ich noch über eine Woche lang die Wohnung nur verlassen, um mich im nächsten Lebensmittelladen mit dem Nötigsten zu versorgen. Und selbst diese bescheidenen Gänge kosteten mich so viel Kraft, dass mir allein bei dem Gedanken an einen erneuten Besuch im Übersetzerbüro sogleich die Knie zitterten und mir leicht übel wurde.
     
    Natürlich lag es auf der Hand, dass meine ebenso plötzliche wie heftige Erkrankung von jenem unseligen Spaziergang im Regen rührte. Eine leise Stimme in mir behauptete jedoch hartnäckig, dass die Ursache eigentlich eine andere war. Etwa die Tatsache, dass ich nie erfahren würde, wie das Tagebuch des Konquistadoren weiterging? Rational betrachtet war es lächerlich zu glauben, dass es diese Nachricht war, die mich umgehauen hatte; ganz ausschließen konnte ich es aber nicht.
    Wenn dies eine Erkältung war, so verlief sie äußerst ungewöhnlich: Ich hatte weder Husten noch Schnupfen noch irgendwelche anderen Symptome, die man normalerweise
erwarten konnte. Stattdessen quälte mich jeden Abend das Fieber, und tagsüber fühlte ich mich elend und schwach. Ich überlegte, einen Arzt aufzusuchen, aber die Atemnot und das pfeifende Krächzen, das meine Lungen produzierten, ließen das Ganze wie eine Bronchitis aussehen, und die hatte ich als Kind oft gehabt, weshalb ich mich mit ihrer Therapierung gut auskannte.
    Wer freiberuflich arbeitet, braucht sich bei niemandem krankzumelden und ist daher auch nicht gezwungen, sich ein Attest geben zu lassen. Ich beschloss, mich auf meine eigenen Heilkräfte zu verlassen, und vernichtete im Laufe von etwas mehr als einer Woche meinen gesamten Vorrat an Aspirin und Senfpflastern. Tagsüber saß ich meist in der Küche, eingewickelt in ein Nest aus Wolldecken, die Teekanne immer in erreichbarer Nähe. Nachts, wenn mir die Augen allmählich zufielen, schlich ich zurück in mein Zimmer, las noch etwas im Bett, bevor ich mich ein letztes Mal im Zimmer umsah und das Licht ausmachte.
    Immer wieder grübelte ich, was an jenem Abend wohl passiert sein mochte. Heute weiß ich, dass in dem Augenblick, als mir das Büro die Absage erteilte, eine Reihe von seltsamen Erscheinungen ihren Lauf nahm, die mich in den folgenden Tagen und Wochen beschäftigen sollten. Dies ist auch der Grund, warum ich so detailliert von Dingen berichte, die auf den ersten Blick sinnlos und unwesentlich erscheinen, wie von meinen Träumen und dummen Ängsten.
    Wenn ich heute zurückblicke, so kann ich nicht sagen, dass mich das Verschwinden meines Vorgängers völlig kaltließ, am ersten Abend fehlte es mir jedoch an Kraft und
Willen, darüber nachzudenken. Die Erkenntnis, dass meine aufregende Reise in die Welt des Tagebuchs auf einmal zu Ende sein sollte, war so niederschmetternd gewesen, dass ich, der ich mich eigentlich für einen ruhigen, überlegten und sogar leicht phlegmatischen Menschen gehalten hatte, aus Verzweiflung in einer Art neurotischem Anfall mehrere Stunden durch den Regen geirrt war.
    Es ist schwer zu erklären, warum dieser alte spanische Bericht mich so in seinen Bann geschlagen hatte; dazu müsste ich erst lange über mein vorheriges Leben berichten, das langweilig, einsam, sinnentleert sowie bar jeglicher Abenteuer gewesen war. Zu dem Zeitpunkt, als mir der Bericht des Konquistadoren in die Hände fiel, hatte ich instinktiv erkannt, dass ich mitten ins Epizentrum merkwürdiger Ereignisse geraten war. Diese hatten nicht das Geringste mit meiner kleinen, staubigen Welt zu tun, und gerade deshalb

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