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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden waren. Und dann diese Schwäche, die sowohl die Muskeln als auch den Verstand willenlos machte, weich wie Watte, als ob sie nicht dir gehörten …
    Es waren die gleichen Merkmale. Natürlich war ich dumm gewesen, mich dem eisig kalten Regen auszusetzen. Doch war es gut möglich, dass ich mir schon vorher eine Infektion geholt hatte - zur gleichen Zeit wie die Mitglieder der spanischen Expedition in den Sümpfen von Campeche. Allerdings hatte ich dieser scheinbaren Erkältung ganze fünf Jahrhunderte medizinischer Entwicklung entgegengesetzt,
hatte fiebersenkende Mittel in hohen Dosen eingenommen und strengste Bettruhe eingehalten. Die Truppe dagegen hatte sich mit nutzlosen Aderlässen begnügen müssen sowie kühlenden Kompressen, die in der Hitze sicherlich innerhalb von Sekunden ihre Wirkung verloren hatten, und die schwere, feuchte Luft des Tropenwaldes war nur mit Mühe in ihre brennenden Lungen eingedrungen. Ich hatte das gespenstische Fieber schneller und mit weniger gravierenden Folgen überstanden, doch hätte ich dies wohl kaum geschafft, wäre ich 450 Jahre zuvor im tropischen Sumpf von Moskitos gestochen worden.
    Für mich stand jedenfalls fest: Meine Krankheit war so etwas wie ein Schatten jener Krankheit aus dem Buch gewesen. Wie dieser Schatten auf unsere Welt gefallen sein konnte, war eher zweitrangig. Hatte ich mich angesteckt, während ich die Blätter in der Hand hielt, weil dadurch uralte, eingetrocknete Bakterien aus ihrem jahrhundertlangen Dornröschenschlaf erwacht waren? Ich hatte schon mal gehört, dass Milzbrandsporen in einer für sie günstigen Umgebung Jahrzehnte überdauern können.
    Vielleicht aber sollte ich zumindest nicht ausschließen, dass das Tagebuch auf empfindsame Menschen wie mich eine Art hypnotische Wirkung hatte? Jedenfalls musste ich ein für alle Mal den Mut aufbringen, mir einzugestehen, dass ich es mit einem nicht ganz gewöhnlichen Buch zu tun hatte …
    Ob ich damals eine bewusste Entscheidung traf, als mir klarwurde, dass das Buch mich zwang, alles auf eine Karte zu setzen? Ob ich begriff, dass ich in diesem mir völlig unbekannten Glücksspiel eine ganze Menge bunter Chips auf
den grünen Filz legte: meinen gesunden Menschenverstand, meinen Glauben an die Realität der mich umgebenden Welt - mein Leben? Wohl kaum. Zu sehr faszinierte mich das Spiel selbst und reizte mich die Aussicht auf den Gewinn, der zugleich Katharsis und Erleuchtung verhieß, und so dachte ich überhaupt nicht mehr an meinen Einsatz. Und obwohl dieser mit jeder neuen Seite stieg, konnte ich nun nicht mehr zurück.
     
    »Dass wir darüber stritten, was mit den Leichen unserer Leute zu tun sei, die einer nach dem anderen an dem verfluchten Fieber gestorben waren. Dass einige von uns forderten, wir sollten die Totenmesse halten und sie nach christlichem Brauch bestatten, während andere sagten, die Leichen müssten verbrannt werden wie in den Zeiten der Pest, damit die Krankheit sich nicht auf die Gesunden übertrage. Dass selbst Fray Joaquín, der sie behandelt hatte, nicht wusste, was zu tun war, da der Mönch in ihm die Aussegnung und ein menschliches Begräbnis für die Unseligen forderte, der Arzt jedoch ihre Körper den Flammen anheimzugeben trachtete, um die Gesunden zu retten.
    Dass einige der Sterbenden, als sie zu Bewusstsein kamen, darum flehten, man möge ihre Leichen nicht verbrennen, um ihnen nicht die Möglichkeit zu nehmen, am Tage der Wiederkunft unseres Herrn Jesus Christus aufzuerstehen. Dass aber jeden Abend einige von ihnen der Tod ereilte und schließlich der Arzt im Herzen des Fray Joaquín über den Priester triumphierte. Und dass jedes Mal, wenn einer der Soldaten Gott seine Seele hingab, Fray Joaquín ihn segnete und dann den Toten selbst verbrannte, und er weinte und bat den Allmächtigen, ihm diese große Sünde zu vergeben.
    Dass die Leichen abseits des Lagers dem Feuer überantwortet wurden, um die Kranken nicht zu beunruhigen, doch als der Wind von
der Seite kam, wo dies geschah, gerieten die Kranken in große Angst, und viele von ihnen schrien und weinten und flehten zum Herrn, auf dass dieses furchtbare Schicksal an ihnen vorübergehe.
    Dass nach einer Woche von unserer Abteilung nur neun Mann übrig blieben, darunter Señor Vasco de Aguilar, Fray Joaquín, unser Wegführer Juan Nachi Cocom und ich sowie fünf Soldaten; die anderen aber waren alle gestorben. Dass einer der Soldaten namens Juanito Ximénez fragte, ob das

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