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Sumerki - Daemmerung Roman

Titel: Sumerki - Daemmerung Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dmitry Glukhovsky
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auf sich zog.
    Wozu hatte ich zusammen mit meinen Konquistadoren diesen beschwerlichen, verschlungenen Weg durch die Selva und die Gassen des Arbat zurückgelegt, durch Gefahren, Krankheit und Versuchungen? Sollte ich das alles jetzt so einfach aufgeben und gerade in dem Augenblick umkehren, da sich vor uns endlich eine gerade Straße auftat? Nachdem all diese Widrigkeiten und Gefahren die Spanier nicht hatten abschrecken können - sie hatten immerhin neun von zehn Kameraden verloren -, sollte ich da nicht Manns genug sein, um ihnen wenigstens durch den Dschungel meiner Einbildung zu folgen? Die Belohnung, die einem für Mut und Durchhaltevermögen in Aussicht gestellt wurde, war etliche Jahrhunderte später immer noch die gleiche. Jedoch auch das Risiko - aber daran wollte ich jetzt nicht denken.
    Die Fortsetzung des Tagebuches barg mit Sicherheit etwas ganz Unvorstellbares. Ging es um das Geheimnis der Verwandlung von Blei zu Gold? War es eine Rezeptur, die das Leben unendlich verlängerte? Geheime Weissagungen? Das Geheimnis des Untergangs der Maya-Kultur? Angesichts all der Kettenhunde, die dieses Wissen hüteten, konnte es sich um keine Kleinigkeit handeln.
    Wahrscheinlich war dies auch dem Autor des Berichts bewusst gewesen. Schließlich hatte er nicht all seine Gedanken zu Papier gebracht. Hätte er sonst seine Truppe so hartnäckig vorangetrieben, trotz der schweren Verluste? Wenn dieses Wissen es lohnte, kaltblütig das Leben von vierzig
Menschen zu opfern, hatte ich, der ich kurz vor seiner Entdeckung stand, dann überhaupt das Recht, klein beizugeben und nicht einmal ein einziges Leben dafür aufs Spiel zu setzen - auch wenn es mein eigenes war?
    Ich verriegelte beide Türschlösser, hängte wieder die Kette ein, wusch mich hastig und begann ungefrühstückt meine Übersetzung ins Reine zu schreiben.
    Ich arbeitete so schnell, dass ich schon nach wenigen Stunden fertig war, obwohl ich in der Eile mehrmals die falsche Taste erwischte, worauf ich jedes Mal das Blatt herausnehmen, den Tippfehler mit Korrekturflüssigkeit überdecken, wie wild darauf herumpusten und es dann mit der Genauigkeit eines Uhrmachers wieder an derselben Stelle einspannen musste - wehe, wenn die Buchstaben sich nicht auf der richtigen Höhe befanden.
    Was mich antrieb, war nicht nur der Wunsch, endlich zu erfahren, was denn eigentlich das genaue Ziel der spanischen Expedition gewesen war, sondern eine gleichsam im Hintergrund lauernde Furcht, dass die Zeit dazu nicht mehr reichen könnte. Ich arbeitete nun sozusagen Kopf an Kopf mit dem dunklen Schatten auf der anderen Seite meiner Tür. Noch lag er einen halben Häuserblock hinter mir zurück, und wenn ich es als Erster auf die Zielgerade schaffte, so würde ich wenigstens ein paar Sekunden einen Blick auf den Hauptpreis werfen können, auch wenn ich das Rennen am Ende doch verlor.
    Um halb drei Uhr war alles fertig. Wie üblich tippte ich meine Durchschläge mit Kohlepapier. Ich versteckte mein Exemplar der Übersetzung zwischen den Laken und Bettbezügen im Wäscheschrank, warf meinen Mantel über,
blickte durch den Spion, schob die Tür auf und drückte auf den Aufzugknopf. Wenn alles gutging, würde ich noch vor Anbruch der Dunkelheit wieder zu Hause sein.
     
    Die Idee, mit dem Trolleybus zu fahren, musste mir ein Dämon eingeflüstert haben. Erst am Vortag war ich wunderbar mit der Metro in das Büro gekommen. Warum ich diesmal beschloss, oberirdisch zu fahren - ich weiß es nicht. Vielleicht lag es daran, dass der Gartenring ungewöhnlich leer aussah und der Bus gerade an der Haltestelle vorfuhr, als ich sie passierte. Wie auch immer: Jener winzige, ans Kleinhirn eines jeden Moskauers gelötete Apparat, der in Sekundenschnelle auf Grundlage des Wetters, der Straßensituation und der letzten Verkehrsmeldungen den kürzesten Weg durch die Stadt errechnet, veranlasste mich jedenfalls, aufs Trittblech zu springen und einen mürrischen Typen mit Hundefellmütze ins Innere des Busses zu drängen.
    Bereits fünf Minuten später bereute ich mein Unterfangen, als der Bus plötzlich irgendwo zwischen den Metrostationen Krasnopresnenskaja und Majakowskaja stehen blieb. Der Fahrer entschuldigte sich in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, und erklärte, dass die Fahrt aus technischen Gründen vorübergehend unterbrochen sei. Für ganz Ungeduldige öffnete er die Vordertür, versprach jedoch sogleich, dass die Unterbrechung nicht länger als zehn Minuten dauern werde.
    Kaum jemand

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