SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
«Sagt mir nichts.»
Havering holte sein Smartphone hervor, öffnete den Browser und gab den Namen in die Suchmaschine ein.
«Nichts. Auf dem Web ist nichts zu finden, was auf den Namen hindeutet.»
«Aber was wollte die Blonde von Marson? Ich glaube nich’ dass die wirklich ’ne Nutte is.» Vince mochte nicht um den heißen Brei herumreden.
Havering klang resigniert. «Vielleicht werden wir das irgendwann herausfinden. Momentan ist auch dieser Hinweis eine Sackgasse.»
Es war still im Raum. Das Schweigen dauerte eine Weile, allgemeine Ratlosigkeit herrschte vor.
« Yuri Kranyek .»
Alle Köpfe drehten sich auf einen Schlag zum Asiaten hin, der immer noch am Fenster stand und in die Nacht hinausschaute. Endlich brach er sein Schweigen.
«Auch genannt Der Weißrusse oder Goldfinger . Was er anfasst, wird zu Gold, heißt es. Der Mann ist Dutzende Millionen schwer, ziemlich gut genährt und könnte vom Aussehen her der Bruder des legendären Gerd Fröbe sein, darum der Spitzname. Er hat allerdings keine Sommersprossen, sondern schwarze Augen und schwarze buschige Augenbrauen. Glatze.
Ich habe ein Bild von ihm. Ihr Erstaunen können Sie sich sparen, mein Heimatland ist nicht auf dem Mars. Hollywood ist bei uns genauso bekannt wie hier.»
Tony staunte, Vince glotzte.
«Woher wissen Sie das alles?» Havering machte große Augen. «Und wieso soll dieser Weißrusse etwas mit der Sache zu tun haben?»
«Mein Name ist Naoto Tohoku. Ich komme aus Japan und suche nach Informationen zur Aufklärung eines gewissen unerfreulichen Vorfalles. Ich habe mit einigen Leuten gesprochen in verschiedenen Städten Europas, bevor ich nach Zürich gekommen bin. Mein Auftraggeber hatte früher geschäftlich mit der Phy Corporation zu tun, also habe ich diesbezüglich einige Spuren verfolgt.»
Naoto alias Takeda machte eine Pause. offenbar hatten die Herrschaften seinen Schwindel geschluckt, und so fuhr er fort.
«Marson ist nicht der einzige Phy-Manager, der sich die Dienste von hochklassigen Vergnügungsdiensten gegönnt hat. Ich habe mich in Antwerpen mit einem Mann namens Victor Seymour unterhalten, der bei einer Tochterfirma der PhyCorp einen hohen Posten in der Logistik innehatte und sich regelmäßig ein paar hübsche Gespielinnen geleistet hat. Aber das nur so nebenbei gesagt. Leider musste Mr. Seymour inzwischen aus gesundheitlichen Gründen sein Amt niederlegen. Ich habe von ihm erfahren, dass die PhyCorp vor nicht allzu langer Zeit ein Schwarzmarkt-Geschäft mit dem Weißrussen abgeschlossen hat über 250 fabrikneue AK-47s – Kalaschnikows aus ehemaligen Armeebeständen. Keine Ahnung was die Phy mit den Waffen vorhatte. Jedenfalls war dies nicht das einzige Geschäft dieser Art gewesen, es hatte in der Vergangenheit bereits mehrere ähnliche Deals gegeben.»
«Und inwiefern sollte uns dieser Kranyek etwas über die Totenbrigade sagen können oder wie wir an die Phy rankommen?» Tony war noch nicht recht überzeugt.
«Die Kalaschnikows waren ein Gegengeschäft. Seymour konnte mir nichts weiter sagen als das. Er wusste auch nicht mehr, das habe ich eingehend geprüft. Das ist allerdings sehr merkwürdig, denn er war immerhin einer der obersten Logistiker der Phy weltweit.»
Havering nahm den Faden auf. «Welche Dienstleistung könnte ein Großfürst der osteuropäischen Unterwelt von einem Unternehmen wie der Phy in Anspruch nehmen? Geldwäsche? Waffenschmuggel? Ankauf von illegalen Waren?»
Takeda kniff die Augen zusammen.
«Ich weiß es nicht. Ich schlage vor, wir sprechen direkt mit ihm.»
Tony atmete tief durch. «Ich gehe einmal davon aus, dass wir uns alle unabhängig voneinander heute Abend gewisse Informationen von Marson mit Nachdruck verschaffen wollten. Das Vorhaben ist offensichtlich fehlgeschlagen. Was haltet ihr davon, wenn wir zusammenarbeiten? So wie ich das sehe, liegen die Dinge wie folgt: Ich und Vince wollen meinen Bruder finden, Ryan Havering seine Unschuld beweisen und Herr Naoto an bestimmte Informationen gelangen. Vielleicht wird er uns zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer erklären können, worum es dabei geht. Wir alle erreichen unser Ziel nur, so schätze ich das zumindest ein, mithilfe vertraulicher Daten aus den PhyCorp-Datenbanken. Dazu müssen wir in die Nähe des Unternehmens gelangen, vielleicht kann uns dieser Kranyek sagen, wie wir das anstellen sollen.»
«Klingt aber nicht gerade nach einem netten Burschen.»
Takedas Augen funkelten in Vinces Richtung.
Tony
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