SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
und zögerte. Der Mann schwenkte ohne Zweifel eine Waffe.
Plötzlich sprang eine weitere Gestalt wie ein wildes Tier aus dem Unterholz den Mann an. Das Geräusch von Ringen und Keuchen war zu hören.
Zwei, drei dumpfe Schläge.
Ein Würgen.
Nichts mehr.
Eine grazile Gestalt erhob sich vor Tony in der Dunkelheit.
Natalia!
Sie packte ihn am Arm und rannte voran, in den Wald hinein. Immer weiter bergauf.
Die Verfolger waren hinter ihnen zu hören. Sie waren ihnen dicht auf den Fersen.
Das Gelände wurde etwas flacher.
Tony und Natalia erreichten eine kleine Anhöhe, die Bäume standen hier weniger dicht. Es war in der Nacht kaum zu erkennen, wohin sie flüchten sollten.
Natalia hatte Tonys Arm losgelassen und verlangsamte ihre Schritte.
«Halt! Sofort stehenbleiben! Sie können nicht entkommen.»
Ein Schuss hallte durch den Wald.
Natalia versteckte sich hinter einem Steinhaufen. Tony kauerte sich hinter einen Baum und drückte sich so nah an die raue Rinde, wie es ging. In der Nähe brach ein Zweig mit einem unüberhörbaren Knacken.
«Mist!», zischte die Agentin leise und presste sich auf den nadelübersäten Waldboden.
Tony fummelte an seinem Beutel herum und kramte das Telefon hervor. Die Helligkeit des Displays hatte er wohlweislich vor dem Betreten der Yacht auf das Minimum heruntergedreht.
Tony tippte «Ortung» in das Dialogfeld und sandte die Nachricht an Vince. Danach kehrte er zum Startscreen zurück und berührte das Symbol mit dem stilisierten Radar. Er und Vince hatten eine dieser billigen Handy-Apps heruntergeladen, mithilfe derer man die Geräte befreundeter Leute orten kann.
Eigentlich ein verdammter Teeny-Quatsch. Aber momentan ganz nützlich.
Tony behielt das Gerät in der Hand und huschte zum nächsten Baum.
Keine Antwort. Vince! Havering! Wo bleibt ihr?
Von Natalia war nichts zu sehen. Er harrte einige Minuten aus. Nichts geschah.
Das Rascheln von Laub in seiner Nähe ließ keinen Zweifel an der Tatsache, dass er in der Klemme steckte. Die Geräusche schienen aus allen Richtungen zu kommen.
Tony wollte sich gerade nach den Angreifern umschauen, als ihn ein heftiger Schlag in den Nacken traf.
Sterne. Ein Hammerschlag auf einen Amboss. Ich …
Die Welt drehte sich. Er konnte gerade noch erkennen, wie ein paar Meter von ihm entfernt ein kräftiger Mann eine Frau um den Bauch packte und vom Boden aufhob. Sie schlug wild um sich, und fast hätte wäre sie aus dem Griff freigekommen. Blitzschnell trat ein zweiter Mann hinzu und machte ein ruckartige Bewegung mit dem Ellbogen in ihre Richtung. Ihr Körper erschlaffte.
Natalia. Nein …
Tony sank auf die Knie, sein Blick wurde schwummrig. Schwärze hüllte ihn ein. Er hatte ein Gefühl im Kopf wie nach dem gewaltigen Kracher, den er von Vince in Paris kassiert hatte. Er mochte diese Erinnerung überhaupt nicht.
Auf einmal waren Schüsse zu hören.
Oder bilde ich mir das nur ein?
Das Adrenalin klärte seinen Blick für einen kurzen Moment, er lauschte in die Nacht.
Es knallte wieder. Näher als vorher.
Noch ein Schuss? Verdammt! Was geht hier vor?
«Boss! Schnell! Steh auf!»
Tony fühlte, wie ihn zwei starke Hände unter den Achseln packten, an seinem leblosen Körper zerrten und ihn wegschleiften. Eine Kugel schlug in den Baum neben seinem Kopf ein. Eine Sekunde früher, und es hätte ihn erwischt. Tony wurde schlecht.
Ein Stimme zischte. «Komm schon Tony, bleib bei mir! Jetzt nicht schlappmachen. Hörst du?! Wachbleiben!»
Vince?
Tony wollte etwas sagen, es kamen jedoch nur ein paar kaum hörbare, blubbernde Unlaute aus einem Mund.
Es fiel noch ein Schuss, ganz nah. Tonys Körper wurde losgelassen und sackte zusammen. Etwas Schweres fiel neben ihm zu Boden. Tony verlor um ein Haar erneut das Bewusstsein.
Er lag auf der Seite. Seine Augendeckel waren hundert Kilogramm schwer. So fühlten sie sich zumindest an.
Es gelang ihm mit letzter Kraft, seine Augen ein kleines Stück zu öffnen. Zwei Armlängen entfernt am Boden konnte er Vinces Gesicht erkennen. Er tat keinen Wank.
Vince! Nein!
Ein weiterer Hieb knallte aus dem Nichts gegen Tonys Schläfe. Sein Kopf wurde zur Seite gerissen. Das letzte bisschen Licht verschwand.
Vierzehntes Kapitel
Krieger der Nacht
1
Der Stahl drang mühelos in das Fleisch. Die Klinge des Hamidashi bahnte sich ihren Weg in Lunge und Herz des Wachmanns. Takeda ließ den leblosen Körper langsam zu Boden gleiten. Er hatte sich seinem Opfer lautlos von
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