SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Mike. Klar, dass ich mich auf dich verlassen kann. Ich lasse dich wissen, wenn ich was herausgefunden hab.»
Sie speisten zu Ende, unterhielten sich über weniger drückende Themen und verließen nach einem weiteren Bier das Lokal. Mike verabschiedete sich, er hatte noch zu arbeiten.
Tony fühlte sich etwas besser, aber das nagende Gefühl eines schlechten Gewissens wollte einfach nicht verklingen.
Selber schuld! Ich hätte die Sache mit Carl viel früher an die Hand nehmen müssen. Verdammt! Aber was soll’s. Hadern hilft auch nichts. Vielleicht sollte ich nach Hause gehen und mir etwas Ruhe gönnen.
Tony wandte sich in Richtung Heimweg. Er musste urplötzlich an seine Ex denken. Ein Schmerz durchzuckte seine Brust. Ein Gefühl von Verlust, Schuld und endgültig verpasster Chance.
Jane. Wieso fehlt sie mir? Warum gerade jetzt? Wochenlang habe ich keinen Gedanken an die Frau verschwendet. Ich habe sie betrogen. Sie hat mich betrogen. Oder vielleicht hat sie dies auch nur behauptet, um mir Schmerzen zuzufügen. Was gab’s da noch zu sagen? Wir hatten uns um Meilen voneinander entfernt. Und trotzdem war es mit Abstand die schlimmste Trennung meines Lebens. Geh raus aus meinem Kopf, Jane! Bitte!
Tony blieb stehen und starrte nach oben in den Nachthimmel. Er atmete zwei drei Mal tief ein und wieder aus.
Ich glaub ich werd mir noch ’nen Scotch genehmigen. Nein! Schluss! Aus! Fertig! Zuhause herumzuliegen und zu saufen bringt mich nicht weiter. Da fällt mir nur die Decke auf den Kopf. Ich brauche ein bisschen Adrenalin. Ablenkung. Ein paar Hände zu spielen kann nicht schaden.
Tony machte rechtsumkehrt, marschierte zur nächsten Kreuzung und rief ein Taxi. Kurze Zeit später brauste der gelbe Ford in Richtung Lower East Side.
7
Es war kurz nach 23 Uhr. Der Zugang zum Keller war nicht ganz einfach zu finden. Das lag an der nicht vollständig legalen Natur des Etablissements. Es hatte schon öfters Razzien gegeben in ähnlichen, von weniger geschickten Betreibern geführten Lokalen in Lower Manhattan. Glücklicherweise aber nicht in diesem Keller und schon gar nicht während Tonys Anwesenheit.
Der Boss des Clubs bezahlte die Behörden des Distrikts anscheinend gut genug.
Weiß der Teufel!
Wie durch ein Wunder waren bisher auch keine finsteren Typen irgendeines Verbrechersyndikates hier aufgetaucht, wobei Tony die Gründe dafür erst recht nicht kennen wollte.
Betty ist aber nie größenwahnsinnig geworden. Sie ist zufrieden mit der kleinen Runde. Die Einsätze sind hoch, aber nie übertrieben. Kein Ärger, keine Schlägereien. Ich glaube, das hilft, wenn man den Kopf unten halten will in dieser Branche.
Tony trat in den Hinterhof, schlenderte entlang des schattigen Weges zwischen zwei weiteren Gebäuden hindurch, bog ab und ging weiter bis zu einem Schild mit geschwungenen Lettern «Shards & Sons». Die umliegenden Gebäude und der Weg lagen fast komplett im Dunkeln.
Tony fragte sich jedes Mal, welche düsteren Gestalten hier ihre unschönen Geschäfte pflegten. Wohnungen gab es in dem Häuserblock seit Jahrzehnten keiner mehr.
Direkt hinter dem Schild tauchte ein schmiedeeisernes Gatter aus dem 19. Jahrhundert auf. Neben dem verrosteten Schloss war ein unscheinbares, schwarz gestrichenes Stahlgehäuse montiert. Tony griff durch das Gatter auf die Rückwand der Box, und drückte auf das hintere untere Ende. Als Außenstehender hätte man nicht mal realisiert, dass es sich um eine Klingel handelte, geschweige denn, wie man sie betätigen müsste. Drei Sekunden nach der Betätigung der Taste flüsterte Tony das Losungswort an die Vorderseite der Box.
Mit einem leisen *Click* sprang das Schloss auf. Als Tony das Gatter nach innen öffnete, war kein Quietschen und kein Knarren zu hören.
Betty weiß, wie man Aufsehen verhindert.
Tony trat Stufe um Stufe die Treppe hinunter, die an der Mauer des Gebäudes entlang führte. Er schritt um die Ecke und erreichte den Unterstand aus einem Bretterverbau, der in einen minimal erhellten Gang bis zur zweiten Tür führte. Diese öffnete sich nur denjenigen Besuchern, die dem Türsteher entweder bekannt waren, oder in Begleitung eines Members erschienen.
Tony war hier ein gerngesehener Gast. Die Nächte im Shards gehörten zu den schmutzigeren kleinen Geheimnissen in seinem sonst scheinbar so disziplinierten strahlenden Wohlhabens-Dasein.
Jeder Mann braucht diese kleinen Geheimnisse im Leben, die nur einem
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