SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
nur noch «Mister King».
Vielleicht auch, weil sie Larry King mag. Wohl eines ihrer verschleierten Komplimente .
Tony trat an den Tisch heran, setzte sich hin und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. «Hey Betty! Schön, dich zu sehen! Die Herren!» Die zwei Typen, mit denen er bereits einige Runden bestritten hatte, auf den bequemen Sesseln neben seinem nickten ihm zu. Bill direkt neben ihm, Pat einen Sitz weiter daneben.
Tony legte das Bündel mit den fünfzig 100-Dollar-Scheinen auf den Tisch – das maximale und somit übliche Buy-in für Cash Games im «Shards».
Betty hob einen Stack aus der Ablage vor sich und schob die Chips über den grünen Teppich hin zu Tonys Platz. Es hatte bereits zwei oder drei Rebuys gegeben, oder ein paar glücklose Spieler waren bereits wieder gegangen. Gesamthaft waren Chips im Wert von über 45’000 Dollar im Umlauf. Tony war es gewohnt, sich innerhalb von wenigen Sekunden einen Überblick über die Gesamtsumme und die Verteilung des Geldes zu verschaffen.
Die Blinds betrugen $20/20, und das Spiel hatte einen schönen Fluss.
Hm …, ich hätte nichts gegen ein bisschen Taschengeld einzuwenden.
Tony stieg ins Spiel ein und gewann gleich die erste Runde mit einer Slow Played-Hand bestehend aus Herz Ass und Kreuz Jack. Nachdem er auf dem Flop bereits zwei Jacks getroffen hatte, konnte ihm nicht mehr viel passieren. Vor dem Flop hatten alle bezahlt, und mit seiner scheuen Wette auf den Turn hatte es niemand aufnehmen wollen.
Das Schicksal meint es offenbar zur Abwechslung wieder mal gut mit mir , dachte Tony. Er lächelte, als er den Pot von 420 Dollar zu sich rüberschaufelte.
Doch Tonys guter Lauf am Pokertisch war nicht von langer Dauer. Der Abend verlief im Stil einer Berg- und Talfahrt. Tony machte erst ein paar Hunderter gut, dann wendeten sich die Pokergötter gegen ihn; er büßte aufgrund einiger Bad Beats hintereinander einiges an Kapital ein. Ständig wendeten sich die Blätter gegen ihn. Vier Stunden später, welche wie im Flug vergingen, war seine Sammlung an Chips auf einen Wert von 1340 $ gesunken.
Ein paar hübsche Flaschen Roederer Cristal. Nicht der Rede wert!
Seine Gedanken schweiften ab. Als Student im Aufbaustudium hatte Tony ziemlich genau so viel in einem Monat als erster Brater in einer Burgerbude verdient. Geschuftet wie ein Tier. Und damit aus einer Schwärmerei heraus einer Angebeteten ein Champagnerfrühstück offeriert mit einer Flasche Roederer. Ein gutes Investment. Tony war ein großzügiger Mensch, besonders, wenn er damit ein bestimmtes Ziel verfolgte. Aber nicht nur dann. Stellte man es richtig an, konnte man alles von ihm haben, und er ließ es gern geschehen. Sein bestimmtes und respekteinflößendes Auftreten wirkten allerdings meist dermassen abschreckend, dass kaum jemand auf die Idee kam, ihm allzu nahe zu treten. Man merkte Tony seinen Wohlstand an, ohne dass er damit geprahlt hätte. Er strahlte einfach eine Art Erhabenheit aus. Kein Wunder bei einem Einkommen, welches sich inzwischen auf zwei damalige Burgerbrater-Monatssaläre pro Tag belief.
«Mister King? Bist du noch bei uns?»
Bettys Aufruf riss Tony aus seinen Tagträumerei. Er hatte einige Dutzend Runden seine Karten abgelegt, kaum eine Hand zu Ende gespielt in den letzten zwei Stunden. Zu aggressiv und clever taktierten seine Kontrahenten, zu lasch war seine eigene Spielweise. Die Müdigkeit drohte ihn vom Tisch zu drängen. Er blickte auf die zwei frischen Karten neben seiner linken Hand.
Er befand sich Under The Gun . Er mochte die erste Position nach dem Big Blind ganz und gar nicht. Entscheidungen ohne jegliche Informationen durch das Verhalten der anderen Spieler waren gefragt. Tony blickte ein paar Sekunden in die Runde, um die schwächsten Geister davon abzuhalten, ihn zu beobachten. Danach legte er die linke Hand auf seine zwei Karten, hob mit der Rechten vorsichtig die Ecken an und blickte darunter, während er sie mit beiden Händen abdeckte. K K – Herz König, Schaufel König.
Hübsch!
Ohne mit der Wimper zu zucken, nahm er die Hände wieder weg vom Tisch. Er erhöhte auf 120 Dollar.
Sein Kumpel Bill neben ihm packte zum Erstaunen aller zusätzliche 280 Dollar drauf, Pat gab auf. Auch alle anderen Spieler legten ihre Karten weg, bis auf den hageren Hünen im merkwürdigen Hemd in einer der letzten Positionen auf der anderen Seite des Tisches. Er schob seine verbliebenen 960 Dollars in Chips in die
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