Summer Sisters
Angst, dass ich mich in Menschen so irren kann. Nein, es macht mir nicht irgendwie, es macht mir große Angst, denn ich habe mich total geirrt. Alle diese Leute dort sind kein bisschen wichtig. Sie sind keine richtigen Freunde. Aber du, Polly, du bist meine Freundin, das weiß ich jetzt ganz sicher. Ganz egal, was in Zukunft auch passiert, ich werde immer wissen, wer eine echte Freundin ist, weil ich Freundinnen wie dich und Ama habe.
Ich erwarte nicht, dass du mir verzeihst. Ich glaube nicht mal, dass du das solltest. Aber ich wollte dir die Wahrheit sagen, weil das, was ich zu Bryn gesagt habe, gelogen war. Du bist meine Freundin. Auch wenn wir womöglich nie mehr miteinander reden,
bist du eine bessere Freundin, als ich sie jemals verdient habe.
Ich hab dich lieb
Jo
Weil sich die Äste der Trauerweide wie von Gram gebeugt neigen, wird der Baum mit Leid und Schmerz gleichgesetzt.
19
Als Jo sich bei Richard, dem Geschäftsführer des Surfside , nach Zach erkundigte, schüttelte der den Kopf.
»Ich glaube nicht, dass der noch mal kommt.«
»Wie meinen Sie das?«, fragte sie.
»Er ist jetzt dreimal hintereinander nicht aufgetaucht, es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass er jetzt plötzlich wieder hier aufkreuzt. Und wenn, würde ich ihn wahrscheinlich sowieso rausschmeißen.« Richard tippte eine Nummer in sein Telefon. »Das passiert im August häufiger. Wer als Kellner in einem Strandrestaurant jobbt, gehört nicht immer zu den Zuverlässigsten.«
Jo nickte. »Da könnten Sie recht haben.«
Heute hatte offenbar wieder Jordan den Dienstplan gemacht: Sie war schon wieder für Effies Bereich eingeteilt. Er hatte wirklich einen ganz eigenen Sinn für Humor.
Jo ignorierte die verächtlichen Blicke und das Gezischel, als sie ihre Sachen in ihrem Spind einschloss. Allmählich gewöhnte sie sich an die abweisenden Gesichter und das Geflüster. Auch dass Bryn mit den älteren Mädchen über sie lästerte - begeistert davon, dass sie ihnen endlich Gesprächsstoff liefern konnte -, war ihr egal.
Als sie endlich Pause hatte, taten ihr die Füße so weh, dass sie fast geheult hätte.
Sie ging durch den Vordereingang zum Strand, wo keines
der anderen Mädchen die Pause verbrachte, lief über den Sand bis zum Wasser, kickte die Schuhe weg und ging bis zu den Knöcheln ins Meer. Angesichts der unendlichen Weite, die vor ihr lag, kam sie sich plötzlich unbeutend und klein vor, und dieses Gefühl hatte etwas Tröstliches. Zach war bedeutungslos, Effie war bedeutungslos, der ganze verkorkste Sommer war bedeutungslos.
Als sie zum Restaurant zurückging, sah sie auf der Bank neben dem Eingang ein auffallend hübsches Mädchen sitzen, das sie anlächelte, als sie an ihr vorbeiging.
»Hallo«, sagte Jo, obwohl sie sie gar nicht kannte.
»Hallo«, antwortete das Mädchen, das einige Jahre älter war als sie.
»Wartest du auf jemanden?«, fragte Jo, weil sie sich danach sehnte, sich zu unterhalten, egal mit wem. Manchmal klappte das mit Fremden besser als mit sogenannten Freundinnen.
»Ja, auf eine der Kellnerinnen. Vielleicht kennst du sie ja, sie heißt Effie Kaligaris.«
»Oh.... Ich glaub, ich muss wieder rein«, stammelte Jo und ging ins Restaurant zurück.
Bei den Spinden stieß sie auf Bryn.
»Draußen wartet jemand auf Effie«, sagte sie, obwohl Bryn offiziell nicht mehr mit ihr redete. »Das hübscheste Mädchen, das ich je in meinem Leben gesehen habe.«
Bryn konnte der Versuchung nicht widerstehen, etwas von ihrem Wissen preiszugeben.
»Das ist Lena, Effies Schwester. Sie ist gerade erst aus Europa zurück.«
»Sie heißt Lena, bist du sicher? Und du weißt ganz genau, dass Effie ihre Schwester ist?«
»Klar.«
»Du machst Witze.«
Bryn verdrehte die Augen. »Und warum bitte sollte ich Witze machen?«
»Ich glaube, sie gehört zur Schwesternschaft, du weißt schon, die vier Mädchen mit der reisenden Jeans. Ich glaube, sie ist eine davon«, sagte Jo atemlos. Sie kam sich vor, als hätte sie gerade einen Filmstar gesehen. Am liebsten hätte sie sofort Ama und Polly angerufen und ihnen davon erzählt. Ihnen und sonst niemandem.
Bryn kniff die Augen zusammen. »Beruhig dich, Schwester«, spöttelte sie.
Jo stellte sich auf die Zehenspitzen, um noch einen Blick auf Lena zu erhaschen, aber sie saß nicht mehr auf der Bank.
»Kein Wunder, dass Effie immer so angefressen ist«, murmelte sie.
»Was soll denn das jetzt wieder heißen?«
»Na, wie würdest du dich fühlen, wenn du so
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