Sumpfblüten
das war genug. Seit dem Unfall mit dem Truck hatte Skinner Sammy Tigertail jeden Herbst zwölf Kilo frische Steinkrabbenscheren für das Reservat geschenkt. Dieses Geschenk wurde immer am 25. Oktober abgeholt, dem ersten Tag der Reusensaison, wenn die größten Krabben gefangen wurden. Einmal, als der Seminole gekommen war, um die Kühlbox abzuholen, war Honey Santana zufällig im Packschuppen gewesen. Sie hatte ihrem damaligen Ehemann wegen eines gesprungenen Auspuffrohrs an einem seiner Boote die Hölle heiß gemacht, das, wie sie sagte, die Luft auf dem Fluss verpestete und die Reiher und Fischadler vergaste. Sammy Tigertail hatte noch nie eine so schöne und derart von etwas besessene Frau gesehen. Sie hatte ihn tief beeindruckt, und er hatte den Vorfall nicht vergessen. Außerdem hatte er den Anblick nicht vergessen, wie Perry Skinner seelenruhig ein Paar Ohrenschützer aufgesetzt hatte, um das Donnerwetter seiner Frau abzublocken.
»Was macht sie denn hier draußen?«, wollte Gillian wissen. »Ist sie irgendwie abgehauen oder so.’«
Skinner antwortete nicht. »Wir haben Schüsse auf dieser Insel gehört.«
»Das war er« – Gillian zeigte auf den Seminolen –, »als er ihn angeschossen hat.« Sie drehte sich um und deutete auf den dicklichen, lang ausgestreckt daliegenden Weißen.
»Das war keine Absicht, Mr. Skinner«, beteuerte Sammy Tigertail. Er bemerkte, dass der Himmel sich im Osten lavendelblau zu färben begann. Bald würde die Sonne aufgehen.
Skinner bückte sich und musterte den Mann mit der blutigen Schulter, der laut, aber regelmäßig atmete. Er sagte, er kenne ihn nicht.
»Wir nennen ihn Lester. Er ist Privatdetektiv«, erzählte Gillian.
»Sammy, hör zu«, sagte Skinner. »Da ist so ein kranker Scheißer mit einer verpflasterten Hand hinter Honey her. Hat ein Flachboot, und außerdem hat er ’ne abgesägte Schrotflinte dabei. Hast du ihn gesehen?«
Gillian wollte mit irgendwas herausplatzen, doch der Seminole brachte sie mit einem wütenden Blick zum Schweigen.
»Sammy?«, hakte Skinner ruhig nach.
»Nein, so jemanden habe ich nicht gesehen.« Sammy fand es grässlich, Mr. Skinner anzulügen, doch noch eine Leiche konnte er in seinem Leben nicht brauchen.
»Sag ihm die Wahrheit. Du hast doch nichts Verkehrtes getan.« Hilflos sah der Indianer zu, wie Gillian sich in die Decke wickelte und zur anderen Seite des Lagers eilte. Sie kam mit der abgesägten Schrotflinte zurück und zeigte sie Perry Skinner.
»Der Pflastermann wollte Lester abknallen, also hat Thlocko ihm eins auf die Rübe gegeben«, berichtete sie.
»Hast du ihn getötet?«, wollte Skinner wissen.
Sammy Tigertail zuckte die Achseln. »Er hat ziemlich tot ausgesehen. Hat auch wie tot gerochen.«
»Das wäre eine wunderbare Neuigkeit.« Skinner war sehr dicht daran zu lächeln.
»Wo wollte Ihre Frau denn hin?«, erkundigte sich der Seminole.
»Irgendwo hier draußen. Und sie ist meine Exfrau, Sammy. Sie war mit ein paar Freunden auf einer Kajaktour.«
»Wie viele?«
»Ein Mann und eine Frau aus Texas«, erwiderte Skinner.
»Die Kajaks, waren die rot und gelb?«
»Genau. Sie sind nicht weit von hier an den Mangroven festgemacht.«
Es freute Sammy Tigertail zu erfahren, dass er die Insel bald für sich allein haben würde. »Ich glaube, ich weiß, wo sie campen, Mr. Skinner. Es tut mir leid, aber ich habe ihnen ihren Proviant und ihr Wasser geklaut.«
»Und die Boote auch«, ließ sich Gillian vernehmen.
»Wasser war alles, was ich wollte, aber das Fresszeug hat in derselben Tasche gesteckt«, erklärte der Seminole.
»Du bringst mich jetzt sofort dorthin«, befahl Perry Skinner.
»Auf jeden Fall.«
»Lass mich zuerst zurücklaufen und meinen Jungen holen. Ich hab ihn da hinten im Wald gelassen.«
»Wir warten hier«, versprach Gillian.
Nachdem Skinner verschwunden war, meinte sie: »Mit dem Typen sollte man sich nicht anlegen.«
Sammy Tigertail nickte. »Mit seiner Frau auch nicht.« Gillian lehnte sich zurück und blickte zum errötenden Himmel hinauf. »Hey, da kommt die Sonne!«
»Jep. Ein neuer Tag im Paradies.«
»Was machen wir mit der Schrotflinte?«
»Schmeiß sie weg«, sagte der Seminole.
Während er auf den Sonnenaufgang wartete, drosch Boyd Shreave nach einem einsamen Moskito, der um seinen Kopf und seine Schultern herumsummte. Es schien zu kalt für Moskitos zu sein, und Shreave fürchtete, von einem gefährlichen Einzelexemplar heimgesucht zu werden.
Vorhin hatte Honey darauf
Weitere Kostenlose Bücher