Sumpfblüten
Klimaanlage, die schief aus der Wand ragte, dröhnte.
»Sie gehört mir«, flüsterte eine raue Stimme, woraufhin Dealey das Gleichgewicht verlor und seitlich in einen Haufen Blumenerde kippte. Irgendwie gelang es ihm, die Videokamera hochzuhalten, so dass sie keinen Schaden nahm. Zuerst war er zu erschrocken, um etwas zu sagen.
»Rühren Sie sich ja nicht«, flüsterte der Mann. Er schien einen weißen Handschuh zu tragen und zielte definitiv mit einer abgesägten Schrotflinte auf Dealeys wogenden Wanst. Der Mann war unrasiert, hatte schütteres Haar und stank nach Alkohol, Schweiß und Fisch.
Nachdem Dealey wieder zu Atem gekommen war, beteuerte er: »Es ist nicht so, wie Sie denken, Mister.«
»Also, sie gehört mir. Wie ich schon gesagt hab.«
»Wer gehört Ihnen?«
»Honey. Also stecken Sie Ihr bestes Stück wieder in die Hose und vergessen Sie sie. Honey Santana gehört ganz allein mir.«
Langsam setzte sich Dealey auf. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden, mein Freund, und das ist die Wahrheit.« Er stellte sich vor und begann zu erklären, was er hier tat.
»Ich bin von einer reichen Lady in Texas beauftragt worden, ihren Mann zu beschatten.«
Der Mann schniefte. »Ist der auch hier, um Honey zu vögeln?«
»Nein, Sir, er hat sich selbst eine Freundin mitgebracht.«
»Also, ich glaub kein gottverfluchtes Wort aus Ihrem Mund. Ich glaube, Sie sind ein sexuell verkommenes Individuum. Das, was man einen Stalker nennt«, verkündete der Mann. »Aber Pech gehabt. Ich war zuerst da.«
Dealey behielt den Lauf der Schrotflinte im Auge, der im Einklang mit dem Gefuchtel des Fremden auf und ab schwankte. Jetzt konnte man sehen, dass er doch keinen Handschuh trug; seine linke Hand war dick verbunden, mit Ausnahme der Fingerspitzen, von denen eine auf dem Abzug der Schrotflinte ruhte.
»Darf ich fragen, wie Sie heißen?«, erkundigte sich Dealey.
»Louis Peter Piejack.«
»Was ist denn mit Ihrer Hand passiert?«
Der Mann hatte Mühe, ihn durch den Lärm der Klimaanlage hindurch zu verstehen, daher musste Dealey die Frage wiederholen.
»Krabben«, antwortete der Mann namens Louis.
Dealey begriff, dass er ein angewidertes Gesicht gemacht haben musste, denn der Mann stieß wütend hervor: »Keine Filzläuse, Arschloch. Richtige Krabben, okay? Jumbo-Steinkrabben.«
»Oh.« Ich hätte aus dieser verdammten Stadt abhauen sollen, solange ich noch konnte, dachte Dealey.
»War alles nur wegen meiner Gefühle für Honey«, fuhr der Mann fort. »Ihr Ex hat so ’n paar gemeine kubanische Dreckschweine angeheuert, um mir Angst einzujagen, aber so leicht geb ich nicht auf. Dem wird’s noch leidtun, dass er sich mit mir angelegt hat. Zeigen Sie mal die Kamera her.«
Dealey bemerkte, dass das Schlafzimmerfenster dunkel geworden war. Er senkte die Stimme. »Die Kamera gehört mir nicht, Louis.«
»Ha’m Sie die geklaut oder so?«
»Nein, ich habe sie mir für diesen Job ausgeliehen.«
Piejack wies den Privatdetektiv an, aufzustehen und in die Gänge zu kommen. Dealey widersprach nicht. Er wartete auf eine Gelegenheit, sich auf den besoffenen Trottel zu stürzen und die Schrotflinte zu packen. Als sie Piejacks Pick-up erreichten, nahm Louis Piejack die Videokamera an sich und befahl Dealey, sich ans Steuer zu setzen.
Eine halbe Stunde später parkten sie im Stockfinstern auf einer langen ungepflasterten Straße. Dealey führte die Nachtsichtlinse vor, in der Hoffnung, Piejack von seiner Schrotflinte abzulenken, die der jetzt locker in der rechten Armbeuge hielt.
Piejack blinzelte durch den Sucher und gab Ehrfurchtsbekundungen von sich. »Das is’ wie das, was unsere Jungs im Irak haben« – er sprach es eye-rack aus –, »um diese Turbanfuzzis im Dunkeln abzuknallen!«
»Cool, was?«, meinte Dealey.
Piejack gluckste. »Jetzt schau’n Sie sich mal Mama Possum da an.«
50 Meter vor ihnen schlurfte ein Opossum über die Straße, gefolgt von einem Dutzend Jungen; die Augen der Tiere funkelten im Infrarotlicht wie Rubine.
Piejack schaukelte in seinem Sitz, schwindlig von dem Anblick. Dealey unternahm etwas, das er für einen geschickten Versuch hielt, die Schrotflinte zu erwischen, doch Piejack schwang sie zur Seite und knallte sie ihm heftig über dem rechten Auge an den Schädel. Stöhnend sackte Dealey gegen das Lenkrad.
Was ihn wieder zu sich kommen ließ, war etwas Warmes, das ihm übers Gesicht lief, und der harte Flintenlauf, der gegen seine Rippen drückte. Mit dem Hemdsärmel wischte er sich
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