Sumpfblüten
Selbstverständlich würde er teuer dafür bezahlen. Anstatt sich mit kühlen Rumdrinks in der Hand an einem Strand zu räkeln – Eugenies Idealvorstellung von einem anständigen Florida-Urlaub –, paddelten sie durch einen müffelnden, von Insekten wimmelnden Sumpf. Und was noch schlimmer war, sie war diejenige, die die ganze Arbeit machte; als Kajakpartner taugte Boyd überhaupt nichts, seine Paddelschläge spritzten und hatten keinerlei Rhythmus. Rotzig lehnte er jegliche Instruktionen seitens ihrer Tourleiterin ab, die, wie Eugenie bei Tageslicht festgestellt hatte, ziemlich attraktiv war. Die meisten anderen von Eugenie Fondas Rohrkrepiererfreunden hätten inzwischen angefangen, Honey Santana anzubaggern, nicht jedoch Boyd. Er hatte beschlossen, seine Männlichkeit zur Schau zu stellen, indem er sich wie ein eingebildeter Vollidiot benahm.
»Ich muss mal wieder pinkeln«, verkündete er der staunenden Welt. Eugenie Fonda beachtete ihn nicht. Honey drehte ihr Kajak und fragte: »Alles okay dahinten?«
»Nein. Ich muss schon wieder pissen«, antwortete Shreave.
»Da vorn machen wir Mittagspause.« Honey zeigte auf eine Insel, die ungefähr einen Dreiviertelkilometer entfernt war.
»Leg lieber ’nen Zahn zu«, knurrte Boyd Eugenie an, »sonst stehst du bis zu den Knöcheln in was Ekligem.«
Er nahm sein spastisches Gepaddel wieder auf, wodurch das Kanu augenblicklich vom Kurs abkam. Um ihn zu neutralisieren, streifte Eugenie ihre Schwimmweste ab und hakte beiläufig ihren Bustier auf.
»Was machst du denn da?«, hörte sie Boyd fragen.
»Mein Neujahrsvorsatz: Keine weißen Streifen mehr.«
»Aber was ist, wenn ein anderes Boot vorbeikommt?«
»Na und, Boyd? Sind doch nur Titten.«
Von da an war er so abgelenkt, dass er so gut wie gar nicht mehr paddelte, was auch Eugenies Absicht gewesen war. Unbehindert von seinem ungeschickten Gefuchtel, steuerte sie das Kajak mühelos mit der auslaufenden Flut. Als sie sich der Mangroveninsel näherten, rief Honey ihnen zu: »Rechts, Boyd, rechts! Passen Sie auf die Äste da auf, Genie.«
Kaum hatte der Bug sich auf das Ufer geschoben, sprang Shreave ins flache Wasser, stolperte an Land und verschwand. Honey Santana und Eugenie Fonda zogen die Kanus aufs Trockene.
»Darf ich Sie etwas fragen?«, erkundigte sich Honey.
»Ja, aber es gibt keine gute Antwort. Ich hab mich wohl gelangweilt«, erwiderte Eugenie. »Ich meine, richtig gelangweilt.«
»Auf jeden Fall scheint er nicht Ihr Typ zu sein.«
»Ich bin meinem Typ nie begegnet. Das ist ein Problem«, meinte Eugenie. »Und Sie?«
Honey nickte. »Einmal schon. Wir sind lange zusammen geblieben.«
»Das würde mir schon reichen. Sie haben ja keine Ahnung.«
Shreave tauchte wieder auf und mühte sich ab, einen Zweig aus dem Reißverschluss seiner Hose loszuhaken. »Ladys, ihr werdet nicht glauben, was meine Wenigkeit oben auf dem Hügel entdeckt hat«, verkündete er.
»Einen Teelöffel voll Charme?«, riet Eugenie.
»Ein Lagerfeuer!«
»Hier draußen?« Honey machte ein betroffenes Gesicht.
»Ist noch warm«, berichtete Shreave, »und es riecht nach fettigem Fisch.«
Honey sagte, sie sollten sofort eine andere Insel ansteuern.
»Wovor haben Sie denn Angst? Die sind weg.« Boyd wedelte abfällig mit den Armen. »Und außerdem bin ich am Verhungern.«
»Na, damit wäre das dann wohl geklärt. Seine Majestät begehrt Abendessen.« Eugenie öffnete ihren Rucksack und zog einen leichten Baumwollpullover hervor, den sie trotz Boyds Protesten überzog. Sie hatte nicht vor, oben ohne durch Spinnweben zu laufen.
Fry wachte kichernd auf. Er wusste nicht, wo er war, und es war ihm auch ziemlich egal. Dann hörte er die Stimme seines Vaters sagen: »Supernummer, Champ.«
»Wa?«
»Du hast einen Mülllaster gerammt. Volle Breitseite.«
Fry versuchte, sich zu erinnern.
»Auf deinem Skateboard«, half sein Dad nach.
»Scheiße«, nuschelte Fry. Normalerweise bemühte er sich, vor seinen Eltern keine Schimpfwörter zu benutzen, doch im Augenblick hatte er keinerlei Selbstbeherrschung. Die Sonne war blendend hell, und in seinem Nacken pochte es schmerzhaft, als er sich abwandte.
»Der Laster hatte übrigens geparkt«, fuhr sein Vater fort. »Sechs Tonnen Stahl, und du hast ihn nicht gesehen.«
»Tut mir leid, Dad.« Fry lachte abermals und gab sich hastig Mühe, sich zusammenzureißen. »Ich weiß, das ist nicht komisch. Wirklich, das weiß ich.«
»Du bist völlig breit«, meinte sein Vater. »Gewöhn dich
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