Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
vorbeifuhr und ihn in Staub hüllte, seine Miene auf Worte konzentriert, die vor seinen Augen vorbeizuziehen schienen.
»Ich gratuliere zu Ihrer Nüchternheit, Mr. Robicheaux. Ich vermute, für einen Mann wie Sie war das ein schwieriges Unterfangen«, sagte er, ging zum Oldsmobile zurück, stieg ein und wartete auf seine Tochter.
Ich drehte mich um und wäre beinahe mit Lila zusammengestoßen.
»Ich kann nicht fassen, was Sie gerade getan haben. Wie konnten Sie es wagen?« sagte sie.
»Begreifen Sie nicht, wobei Ihr Vater mitgemacht hat? Er hat einen lebenden Menschen gekreuzigt. Wachen Sie auf, Lila. Er ist der Inbegriff des Bösen.«
Sie schlug mir mitten ins Gesicht.
Blätterstaub wirbelte um mich herum, und ich sah zu, wie ihr Wagen im langen Tunnel der Eichen verschwand.
»Ich hasse sie«, sagte Alafair hinter mir.
»Gib ihnen keine Macht über dich, Alf«, erwiderte ich.
Aber ich fühlte eine große Traurigkeit. In den Jahren ihrer alkoholischen Exzesse war Lila stets für die Unzulänglichkeiten ihres Vaters sensibilisiert gewesen. Jetzt, in ihrer scheinbar klarsichtigen Nüchternheit, war sie moralisch erblindet.
Ich legte meinen Arm um Alafairs Schulter, und wir gingen gemeinsam ins Haus.
30
Cisco Flynn erschien am nächsten Morgen in meinem Büro. Er saß auf einem Stuhl vor meinem Schreibtisch und ballte in seinem Schoß rhythmisch die Hände zu Fäusten.
»Draußen am Bootsanleger, als ich Sie gebeten hatte, sich die Fotos anzusehen, wissen Sie noch? Da war ich wütend«, sagte ich und hielt die Kopien der drei Fotos aus dem Glas hoch.
»Geben Sie sie mir einfach, ja?«
Ich reichte ihm die Bilder über den Schreibtisch. Er betrachtete bedächtig eines nach dem anderen, ohne eine Miene zu verziehen. Nur unter einem Auge zuckte ein Nerv. Er legte die Fotos auf den Tisch zurück und richtete sich auf dem Stuhl auf.
Seine Stimme klang emotionslos. »Sind Sie sicher, daß das Terrebonne ist? Der Typ mit dem fehlenden Finger?«
»Welchen Weg wir auch einschlagen, er führt zu seiner Haustür«, sagte ich.
»Und dieser Scruggs war auch dabei?«
»Da können Sie drauf wetten.«
Er starrte aus dem Fenster auf die Palmwedel, die sich im Wind bewegten.
»Wie ich höre, ist er wieder in der Gegend«, sagte Cisco.
»Kommen Sie nicht auf falsche Gedanken, Partner.«
»Ich dachte immer, der Abschaum der Menschheit fände sich in Hollywood. Dabei ist er hier, genau hier.«
»Das Böse definiert sich nicht über Postleitzahlen, Cisco.«
Er griff nach den Fotos und sah sie erneut an. Dann legte er sie beiseite, stützte die Ellbogen auf meinen Schreibtisch und legte die Stirn in die Hände. Ich dachte, er wolle etwas sagen, dann merkte ich, daß er weinte.
Gegen zwölf Uhr war ich auf dem Weg zum Mittagessen. Helen holte mich auf dem Parkplatz ein
»Warte, Streak. Ich habe gerade einen Anruf von einer gewissen Jessie Rideau gekriegt. Sie sagt, sie sei in jener Nacht in dem Hotel in Morgan City gewesen, als Jack Flynn gekidnappt wurde.«
»Warum ruft sie uns jetzt an?«
Wir stiegen beide in meinen Pickup. Ich schaltete den Motor ein. Helen sah stur geradeaus, als versuchte sie ein Problem in den Griff zu bekommen, das für sie nicht faßbar war.
»Sie sagt, sie und eine andere Frau seien Prostituierte gewesen, die unten in der Bar Freier aufgegabelt hätten. Harpo Scruggs hat die andere gehabt, eine gewisse Lavern Viator, und sie hat eine Kassette für ihn aufbewahrt.«
»Eine Kassette? Und wo ist diese Viator?«
»Sie ist bei einer Sekte in Texas gelandet und hat Rideau gebeten, die Kassette für sie aufzubewahren. Rideau glaubt, daß Scruggs die ehemalige Kollegin umgebracht hat. Und jetzt will er die Kassette von ihr.«
»Und warum gibt sie sie ihm nicht?«
»Sie hat Angst, daß er sie umbringt, wenn er sie hat.«
»Sag ihr, sie soll sich bei uns melden.«
»Sie traut uns nicht.«
Ich parkte den Pickup vor der Cafeteria in der Main Street. Die Zugbrücke über den Bayou Teche war hochgezogen, und ein Shrimpfischer fuhr darunter hindurch.
»Reden wir drinnen weiter«, sagte ich.
»Ich krieg jetzt keinen Bissen runter. Bevor Rideau völlig hektisch aufgelegt hat, hat sie mir erzählt, daß die Killer im Nebenzimmer von Jack Flynn gewürfelt hätten, bis er allein gewesen sei, ihn dann über die Hintertreppe gezerrt, ihn an einen Pflock gebunden und mit Ketten geschlagen hätten. Außerdem meint sie, mehr sei eigentlich nicht geplant gewesen. Aber dann habe Scruggs den anderen
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