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Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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eingeredet, die Nacht sei noch jung, und hat Viator gezwungen mitzukommen. Sie hat Jack Flynns Kopf angeblich in einem Handtuch auf dem Schoß gehalten, damit kein Blut auf die Sitze kommen konnte.«
    Helen preßte zwei Finger gegen ihre Schläfen.
    »Was ist los?« fragte ich.
    »Rideau behauptet, man könne Flynns Gesichtsabdruck auf dem Handtuch erkennen. Ist doch Quatsch, oder? Außerdem sagt sie, in der Kassette lägen die Ketten, ein Hammer und Handschellen. Hab fast nen Anfall gekriegt bei der Beschreibung, Großer. Das nächste Mal stelle ich die Dame zu dir durch«, sagte sie.
    An diesem Abend füllten Clete und ich einen Eimer mit Rötlingen und fuhren mit meinem Außenborder zum Henderson-Sumpf, um Sac-à-lait zu fischen. Die Sonne stand rot im Westen, zerfließend und formlos, als drohe sie in der eigenen Glut zwischen den lavendelfarbenen Wolkenbänken am Horizont zu schmelzen. Wir fuhren über eine weite Bucht, ließen das Boot in der Nähe einer Insel treiben, die dicht mit Weiden und Zypressen bewachsen war. Die Moskitos hingen in dichten Schwärmen im Schatten der Bäume, Brassen sprangen zwischen den Wasserlilienfeldern aus dem Wasser, und ein Geruch wie nach Fischlaich stieg aus dem Wasser.
    Ich sah über die Bucht zum Damm hinüber, wo plötzlich ein Haus aus rohem Holz und mit Blechdach stand, das drei Wochen zuvor noch nicht da gewesen war.
    »Wie kommt das denn dahin?« fragte ich.
    »Billy Holtzner hatʼs bauen lassen. Gehört zur Filmkulisse«, antwortete Clete.
    »Soll das ein Witz sein? Der Kerl ist wie eine Seuche, die sich über die ganze Gegend ausbreitet.«
    Ich griff in den Rucksack, in dem ich unsere Sandwiches, die Thermosflasche mit Kaffee und meinen japanischen Feldstecher aus dem Zweiten Weltkrieg verstaut hatte. Ich stellte das Glas ein und sah Billy Holtzner und seine Tochter mit einem halben Dutzend Leuten auf der Veranda palavern.
    »Solltest du eigentlich nicht bei denen da drüben sein?« fragte ich Clete.
    »Die arbeiten in einer sogenannten Zwölf-Stunden-Schicht. Ich mache um fünf Uhr Schluß. Dann hat er ein paar andere Jungs, die er rumschubsen kann. Sie sind meistens bis ein oder zwei Uhr morgens auf dem Set. Dave, ich erledige natürlich meinen Job, aber dieser Kerl ist so gut wie tot.«
    »Warum?«
    »Erinnerst du dich an die Jungs in Nam, von denen du wußtest, daß sie sich was einfangen würden? Wandelnde Nieten, die Angst ausdünsteten und sich immer wie Kletten an einen gehängt haben? Holtzner umgibt derselbe Gestank. Hängt in seinem Atem, an seinen Klamotten. Mag ihn nicht mal anschauen.«
    Vereinzelte Regentropfen zerstörten die glatte Wasseroberfläche, dann biß der Sac-à-lait an. Anders als Barsche und Brassen tauchen sie mit dem Köder senkrecht in die Tiefe ab und zerren sogar die Pose unter nicht nachlassender Spannung in die Schwärze des Wassers. Sie kämpfen erbittert, entfernen sich vom Boot, bis sie mit einem Mal wieder an die Wasseroberfläche stoßen, sich auf die Seite drehen und aufgeben.
    Wir legten unsere Beute auf zerstoßenes Eis in der Kühlbox, nahmen unsere Schinken-Zwiebel-Sandwiches und die Thermosflasche mit Kaffee aus dem Rucksack und breiteten alles auf der Box aus. In der Ferne, beim neu eingerichteten Filmset, sah ich zwei Gestalten in ein Luftkissenboot steigen und über die Bucht auf uns zurasen.
    Das Dröhnen der Motoren und Propeller war ohrenbetäubend, das Kielwasser eine lange, flache Spur voller aufgewirbeltem Schlamm. Der Fahrer machte den Motor aus und lenkte das Boot zur Insel. Billy Holtzner saß neben ihm, eine blaue Baseballkappe auf dem Kopf. Er lächelte.
    »Seid ihr beiden im Dienst?« sagte er.
    »Nein. Wir sind nur beim Angeln«, erwiderte ich.
    »Macht, daß ihr wegkommt«, sagte er noch immer lächelnd.
    »Wir fischen häufig an dieser Stelle, Billy. Wir haben beide dienstfrei«, sagte Clete.
    »Oh.« Holtzners Lächeln erstarb.
    »Alles okay?« fragte Clete.
    »Klar«, antwortete Holtzner. »Wollt ihr rüberkommen und zuschauen, wie wir ein paar Szenen drehen?«
    »Wir sind in ein paar Minuten auf dem Heimweg. Trotzdem danke«, sagte ich.
    »Keine Ursache. Meine Tochter ist bei mir«, sagte er, als bestünde eine logische Verbindung zwischen ihrer Gegenwart und seiner Einladung. »Ich meine, vielleicht können wir noch ein spätes Abendessen zusammen einnehmen.«
    Weder Clete noch ich reagierten darauf. Holtzner tippte dem Mann am Steuer auf den Arm, und die beiden dröhnten quer über die Bucht zurück.

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