Sumpffieber (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
dachte, eines meiner Schäfchen sei gekommen. Als ich die Tür aufgemacht habe, stand dort ein Mann mit Schlapphut und Regenmantel auf der Schwelle. Nie zuvor habe ich die Gegenwart des Bösen so stark empfunden. Ich war überzeugt, daß er mich umbringen würde. Und ich glaube, das hätte er auch getan, wären nicht plötzlich die Haushälterin und Father Lemoyne hinter mir aufgetaucht.
Da hat er mit dem Finger auf mich gezeigt und gesagt: ›Brechen Sie ja nicht das Beichtgeheimnis!‹ Damit stieg er wieder in seinen Wagen und fuhr davon, ohne die Scheinwerfer einzuschalten.«
»Sie meinen also, er wollte verhindern, daß Sie ein Geständnis weitergeben?« fragte ich.
»Er hat eindeutig auf die junge Terrebonne angespielt. Da bin ich sicher. Aber was sie mir anvertraut hat, geschah nicht während der heiligen Beichte«, erwiderte er.
»Möchten Sie mir mehr über Lila erzählen, Father?« fragte ich.
»Nein, das wäre nicht richtig. Vertrauen ist Vertrauen. Außerdem war sie nicht ganz bei Sinnen. Ich möchte ihr keinen schlechten Dienst erweisen«, sagte er. Aber seine Miene verdüsterte sich. Offenbar waren ihm seine eigenen Worte keine Beruhigung.
»Dieser Mann mit dem Pickup, Father? Wenn sein Name Harpo ist, dann sollten Sie sich vor ihm in acht nehmen«, riet ich.
»Seine Augen«, murmelte der Priester.
»Sir?«
»Sie waren wie die des Geschäftsmannes. Ohne jeden moralischen Skrupel. Und ein Mann wie er redet von der Unantastbarkeit des Beichtgeheimnisses. Das beleidigt mich zutiefst.«
»Essen Sie mit uns«, sagte ich.
»Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen. Ihr Haus strahlt Wärme aus. Von draußen schon hat es ausgesehen wie das Paradies, bei diesem Unwetter. Könnte ich jetzt vielleicht doch einen Drink haben?«
Er saß bei Tisch, ein Glas Sherry vor sich, der Blick immer wieder abschweifend, während er Aufmerksamkeit demonstrierte, wie jemand, der erkennt, daß auch die Zuflucht und vorübergehende Sicherheit in unserer Mitte ihn nicht von der belastenden Erfahrung befreien konnte, daß der Tod tatsächlich bei ihm angeklopft hatte.
Am Montag morgen fuhr ich am Bayou Teche entlang und durch Jeanerette in die kleine Stadt Franklin und sprach mit dem Polizeichef, einem hellhäutigen Kreolen Anfang Vierzig mit Koteletten und einem goldenen Ohrring.
»Ein Mann namens Harpo? Hier gabʼs mal einen Harpo Delahoussey. Er war Deputy und hat später als Sicherheitschef bei der Terrebonne-Dosenfabrik gearbeitet«, sagte er.
»Den meine ich nicht. Der Betreffende könnte allerdings sein Neffe sein. War ebenfalls Polizist in Franklin. Die Leute nannten ihn den ›Kleinen Harpo‹.«
Er spielte mit einem Stift und starrte aus dem Fenster. Es regnete noch immer, ein Schwarzer fuhr auf dem Fahrrad den Bürgersteig entlang, und seine Silhouette hob sich gegen das diffuse Neonlicht einer Bar auf der gegenüberliegenden Straßenseite ab.
»Als ich ein Kind war, gabʼs hier einen Cop namens H. Q. Scruggs.« Er befeuchtete seine Lippen. »Wenn er ins Quarter kam, mußten wir ihn alle Mr. H. Q. nennen. Nicht einfach ›Officer‹. Das genügte diesem Gentleman nicht. Aber ich erinnere mich, daß die Weißen manchmal Harpo zu ihm gesagt haben. Soweit ich weiß, war er Wachmann oben in Angola gewesen. Wenn Sie mehr über ihn erfahren wollen, gebe ich Ihnen Namen und Adresse eines Mannes, der Ihnen vielleicht helfen kann.«
»Sie wollen nicht über ihn sprechen?«
Er legte den Stift waagrecht auf seine Schreibunterlage. »Ich will mich nicht mal an ihn erinnern. Und glücklicherweise muß ich das heutzutage auch nicht«, sagte er.
Clem Maddux saß auf seiner Veranda in einem lederbespannten Schaukelstuhl und rauchte eine Zigarette. Ein Bein hatte man ihm unterhalb der Hüfte, das andere knapp über dem Knie amputiert. Sein Oberkörper war massig, der Bauch quoll über den Bund seiner Jeans in Übergröße. Seine Haut war rosafarben und glatt wie ein Kinderpopo, und in seinen Halsfalten baumelte ein Kropf von der Größe eines Enteneis.
»Sie starren mich an, Mr. Robicheaux?« fragte er.
»Nein.«
»Ist die Buergersche Krankheit. Rauchen ist Gift dafür. Aber ich leide auch an Diabetes und Prostatakrebs. Ich hab Krankheiten, die das Leiden überleben werden, das mich unter die Erde bringt«, erklärte er lachend und wischte sich mit dem Handrücken den Speichel aus den Mundwinkeln.
»Sie waren bewaffneter Wachmann in Angola? Zusammen mit Harpo Scruggs?«
»Nein. Ich war der Leiter des
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