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SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)

Titel: SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schwartz
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erkannte.
    »Verzeih die übertriebene Fürsorge meiner Brüder«, wisperte der Sterbende. »Sie glauben, der Tod sei ein unheilbares Leiden und man müsse den Erkrankten die letzten Stunden mit Isolation und ermattendem Müßiggang vergällen. Dabei ist das Beste im Grunde das Letzte im Leben, denn dafür wird alles gemacht. Darauf läuft alles hinaus.«
    »Ihr hattet schon immer ungewöhnliche Ansichten, Meister«, sagte der Adept und lächelte.
    »Was ist Sterben anderes als Heimkehr?«, erwiderte Taardar. »Wir gehen dorthin zurück, von wo wir gekommen sind. Dass wir unsere Herkunft vergessen haben, ist dem Tod nicht anzulasten. Und wer sich vor der Dunkelheit fürchtet, der hat nur zu lange im Licht gelebt.«
    »Es freut mich auch, Euch wieder zu sehen.« Mun drückte vorsichtig die Hände seines einstigen Lehrers. Es fiel ihm nicht leicht, die Tränen zurückzuhalten. Er wusste, dass Taardar kein Freund von Sentimentalitäten war.
    »Es ist gut, dass du hier bist, Mun«, wurde der greise Draawe übergangslos ernst. »Nicht, dass ich auch nur einen Moment an dir gezweifelt habe, aber das Schicksal hat seine Art, alte Narren zu übertölpeln.«
    »Ich dachte, Ihr glaubt nicht an so etwas Unbestimmtes wie Schicksal, Meister«, wandte der Wissensträger ein. Ihm war nicht klar, was der Greis meinte.
    »Werde nicht vorlaut, Junge«, gab Taardar zurück. »Schicksal ist nur ein anderer Begriff für die gesammelten Fehler, die man gemacht hat. Sie sollen als Mahnung gereichen, jedoch nicht die Handlungen bestimmen. Hast du etwa alles vergessen, was ich dir beigebracht habe?«
    »Natürlich nicht, Meister«, sagte Mun leise, und nun versagte ihm doch beinahe die Stimme, »nicht ein einziges Wort …«.
    Taardar war mehr für ihn gewesen als nur Lehrer, sondern auch Ersatzvater und Seelentröster. Er hatte Mun vorurteilsfrei aufgenommen. Hatte ihn als das akzeptiert, was er war, den etwas schwerfälligen Verstand eines Bauerntölpels mit Geduld und Geschick geformt und geschärft und ihm dabei geholfen, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen und das Leben als etwas zu begreifen, das dem Ausgleich von Missverhältnissen diente.
    »Vergiss Begriffe wie Rechte und Pflichten«, hatte Taardar oft gesagt. »Mach dich frei von dem, was andere von dir erwarten, was du glaubst, tun zu müssen, um dir deinen Platz in der Welt da draußen zu erobern. Wenn du wissen willst, was wirklich von Bedeutung ist, dann musst du dir nur eine einzige Frage stellen: Was lässt du zurück? Das, was bleibt, wenn du nicht mehr bist, ist das, worauf du deine Aufmerksamkeit zu richten hast.«
    »Sprichst du von Dingen wie einem Gedicht, einem Lied oder einem Buch? Wichtig ist also, was wir aus unserer Fähigkeit des Schaffens gewinnen, wenn wir Getrenntes zusammenfügen, wenn wir aus Bruchstücken etwas bilden, das mehr ist als die Summe seiner Teile?«
    »Halt den Mund, du dummer Junge«, reagierte Taardar scharf darauf. »Wenn du nur Phrasen dreschen und auswendig Gelerntes dahersagen kannst, dann ist das Geschenk der Sprache an dich verschwendet. Ein Gedicht ist nichts, wenn es niemand rezitiert. Ein Lied ist stumm, wenn keiner es anstimmt. Ein Buch ist sinnlos, wenn es niemand liest. Das wahrhaft Bleibende findest du nur in den Köpfen und Herzen. Das Bild eines Sonnenaufgangs über den Dächern Lakaras, die Erinnerung an jemanden, der dir etwas bedeutet, das Echo eines anregenden Gesprächs, das dir neue Erkenntnisse und Einsichten beschert hat.
    Bleibendes, das merke dir, Mun, existiert nur abseits der Notwendigkeiten. Eine Scheibe Brot verschafft dir unmittelbare Befriedigung, ein Glas Wasser stillt deinen Durst für ein paar Stunden. Doch aller Unmut, aller Ärger, jede Form der Unzufriedenheit resultiert aus der tief in jedem Lebewesen verwurzelten Ahnung, dass ihm etwas fehlt, etwas, das man niemals erlangen kann: Erkenntnis!«
    »Aber dann ist unsere Suche nach Wissen sinnlos, Meister«, wandte Mun ein. »Was ist der Zweck des Lernens, wenn am Ende nicht die Erkenntnis steht?«
    »Eines Tages wirst du es vielleicht verstehen«, sagte Taardar. »Doch bis dahin hast du noch Zeit. Sehr viel Zeit.«
    In diesen Minuten, da er am Sterbebett seines Meisters stand, glaubte der Adept zu begreifen, was der Draawe einst gemeint hatte. Taardar war seinen Weg bis zum Ziel gegangen. Er hatte die Antworten auf viele Fragen gesucht und gefunden. Zumindest jene Antworten, die die Welt der Lebenden bereithielt. War die Angst vor dem Tod in Wahrheit

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