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trug die Geräusche emsigen Schaffens hinüber. Das Heerlager rund um die rötlich leuchtende Mauer wuchs. Aikel sah, wie sie neue Mannschaftszelte aufstellten. Auch ohne diese Feststellung hatte er den Eindruck, dass die Besatzungsstärke erhöht worden war. Bereitete Corundur etwa die Stürmung des Archivs vor? Oder diente der zusätzliche Aufmarsch eher als Demonstration der Macht?
Der Kuntar legte den Feldstecher zur Seite und drehte sich um.
Arls lag in der Ecke neben der Tür und hielt ein Nickerchen. Ihn konnte kaum etwas aus der Ruhe bringen. Tschad kontrollierte überflüssigerweise erneut die Ausrüstung. Gus kauerte auf einem Stuhl. Hin und wieder schnellte seine Zunge hervor. Nervosität schien für den Geflügelten demnach kein Fremdwort zu sein.
Aikel trat zu dem Bett an der Seitenwand des Raums.
In ihm lagen die Bewohner des schäbigen, schwimmenden Heims. Es handelte sich um zwei Menschen, einen Mann und eine Frau mittleren Alters. In regelmäßigen Abständen hoben und senkten sich ihre Brustkörbe. Einer von Gus’ Symbionten – Aikel schätzte, dass es sich um Aschtari handelte – schlängelte sich über die Bettdecke.
Ihnen geht es gut! Sie werden nicht mitbekommen, was geschieht!
Der Symbiont zischelte leise.
Zu ihrem Bedauern hatten sich die Adepten gezwungen gesehen, die Besitzer des Hausboots mithilfe dosierten Einsatzes der Giftzähne der Symbionten unter Betäubung zu halten. Ein leer stehendes Anwesen wäre in der aktuellen Lage reines Wunschdenken gewesen.
Schon zu normalen Zeiten platzten Burundun und Lakara aus allen Nähten. Für die Adepten war der Unterschlupf in Lakara jedoch essentiell. Bald würde die nächtliche Ausgangssperre in Kraft treten. Das Risiko für die Gruppe wäre zu hoch, sich während dieser Zeit mitsamt der Ausrüstung durch Burundun schleichen zu müssen. Lakara bot zudem den Vorzug, dass es von Corundurs Leuten weitgehend ignoriert wurde. Vielleicht fürchteten sie die zahlreichen Banden der Seestadt.
Auf seinem Stuhl rührte sich Gus. »Bald geht es los. Wir sollten uns vorbereiten.«
Sie rüsteten sich für das Kommende. Jeder kannte seine Aufgabe.
Aikel nahm einen letzten Blick aus dem Fenster. Die Sonnen waren gerade im Begriff unterzugehen. Ganz allmählich wurde es dämmrig. Er schaute auf das Chronometer. Noch ein halber Umlauf des Zeigers um das Ziffernblatt. Dann musste er aufbrechen, um seinen Part in dem Spiel zu erfüllen.
Aikel schlich sich durchs Noctum. Er suchte die Dunkelheit, huschte über Flöße und Schwimmer, erreichte festen Untergrund, stahl sich von Hauswand zu Hauswand. Eine Patrouille bog um die Ecke. Geistesgegenwärtig presste er sich an die Säule eines Vordachs. Im nächsten Augenblick verschmolz er scheinbar mit ihr. Die Soldaten gingen an ihm vorbei, ohne ihn wahrzunehmen.
Aikel war in seinem Element. In diesen Momenten dankte er seinem Schöpfer für die Mimikryfähigkeit. Sich ungesehen zu bewegen war stets eine Herausforderung für ihn. Er betrachtete es als notwendigen Gegenpart zu den verlockenden Möglichkeiten seiner Gabe. Welche ihm in Bewegung jedoch kaum genutzt hätte.
Er lief weiter.
Ohne weitere Behinderungen erreichte er die Straßenkreuzung, an der ein unscheinbares Häuschen stand. Wie Aikel feststellte, war er keineswegs allein im Noctum unterwegs. Eine untersetzte Person kam von der anderen Straßenseite und hetzte über den Asphalt auf das Haus zu. Kurz darauf verschwand die Gestalt im Inneren.
Aikel folgte nach kurzer Wartezeit. Am Haus angekommen, klopfte er zweimal kurz und dreimal lang. Sogleich öffnete sich die Tür und ein bärtiger Hüne streckte seinen Kopf hinaus. Prüfend spähte der Mann die Straße entlang, nickte und ließ Aikel ein.
Der Adept durchmaß ein möbliertes Zimmer. An der Tür zum Nebenraum saß ein weiterer Mann. Wortlos drückte er einen Hebel. Eine Klappe im Boden unmittelbar neben dem Durchgang fiel nach unten. Sie offenbarte den Zugang zu einer Treppe, die in die Tiefe führte. Aikel war bekannt, dass es nur einer von vielen Abstiegen war, die alle zu demselben Ort führten.
Er schritt die Treppe hinab. Auf halbem Wege musste er einer schwer bepackten Uriani ausweichen, die empor hüpfte. Schließlich kam er unten an.
Abgesehen vom Standort unterschied sich Burunduns größter Schwarzmarkt kaum von einem herkömmlichen Umschlagplatz. Händler harrten in den Hallen an ihren Kiosken der Kundschaft. Der Schwarzmarkt war eine Institution, solange es Burundun gab.
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