SunQuest - die Komplettausgabe 2800 Seiten zum Sonderpreis: Dies Cygni und Quinterna (German Edition)
Stummen machen will«, fuhr sie dann fort. »Ich kenne ihn aus einem früheren Kampf, vor zehn Jahren während der Passage, als er damals bereits versuchte, die Macht über Less an sich zu reißen. Nun will er einen zweiten Versuch wagen, und dazu begeht er erneut Verrat an uns allen, indem er sich einem grausamen Feind von außerhalb anbiedert. Einen Teil des Preises seines Verrats stellt diese Stadt dar.«
Das Murmeln griff weiter um sich, rollte weit über die Menge hinweg wie eine Welle an einen Strand. Hier und dort brach sie sich an lauteren Reden, aber Seiya war zu weit entfernt, um die Worte zu verstehen. Sie hob die Stimme, um das Volk beisammen zu halten: »Nur kann ich diese Stadt nicht allein halten, ich brauche jeden einzelnen Mann, jede Frau dieser Stadt. Ohne euren Einsatz ist Thel-Ryon verloren. Es ist eure Stadt, und es hängt von euch ab, sie zu halten und zu bewahren. Meine Heimat liegt fern von hier, und ich kann Thel-Ryon verlassen, ihr hingegen lebt hier. Ich biete euch meine Erfahrung, meinen Rat und meinen Schutz, und im Gegenzug bitte ich euch um Unterstützung.«
»Earl Hag muss den Kampf an anderer Stelle führen«, fügte Don’na Elphira hinzu und trat neben Seiya. »Deshalb hat er Königin Seiya um Hilfe gebeten, die Stadt an seiner Stelle zu verteidigen, bis er zurückkehrt. Zur Verstärkung hat er uns zwei Hundertschaften Krieger zurück gelassen, und weitere dreihundert sind in den vergangenen Tagen eingetroffen. Wir sind also nicht allein und hilflos.«
»Ist es wirklich sicher, dass der Krieg
hierher
kommt?« rief jemand aus der Menge. Diesem Ausruf folgten weitere, als flögen hundert Vögel aufgeschreckt aus einem Baum auf.
»Es ist sicher«, antwortete Seiya. »Der neue Feind, von dem ich sprach, ist Aliandur. In wenigen Tagen – drei vielleicht – wird sein Heer heranrücken.«
»Dem Erlöser?«
»So nennt er sich selbst.«
»Stimmt es, dass er ein Kinderfresser ist?«
»Das ist leider nur zu wahr. Er verschmäht auch zarte Jungfrauen nicht, und seine Männer nehmen sich, was sie wollen – Hab und Gut oder Leben, das ist ihnen gleich. Am liebsten nehmen sie beides. Und jetzt werden sie darauf aus sein, Kinder zu rauben, um sie an die Stummen in ELIUM zu verkaufen. So, wie uns die Kinder der Mandiranei gestohlen wurden.«
Angstvolles Raunen. Seiya sah Väter und Mütter, die ihre Kinder zu sich zerrten.
»Und ist es wahr, dass Aliandur ein Drache ist und fliegen kann und Feuer speien?«
Die Exilkönigin schüttelte den Kopf: »Er sieht wie ein Drache aus, ja. Aber Fliegen und Feuer speien, das kann er nicht.«
»Was wird er uns antun?«
»Er trachtet nach dem größten Diamanten, den es auf Less zu finden gibt: Den Thron dieser Stadt. Und er will nicht nur über die Händler König sein, darauf gebe ich Euch mein Wort.«
»Aber was könnt Ihr gegen ihn ausrichten?«
Seiya lächelte dünn. »Ich kenne ihn fast so gut wie seine Leute. Ich war seine Gefangene, doch ich habe überlebt und bin frei. Earl Hag hat mich gerettet, und aus Dank werde ich ihn nun unterstützen.«
Da trat Paxedis an ihre Seite. Seiya verbarg beunruhigt ihr Erstaunen. Was mochte das zu bedeuten haben?
»Die Königin hat den Stadtrat für Earl Hags Entscheidung gewonnen«, schnarrte die Gildenrichterin, »und in Übereinkunft mit uns Pläne zur Verteidigung der Stadt gefasst, die uns so gut wie möglich auf einen Angriff vorbereiten – viel Zeit bleibt nicht, wie ihr gehört habt, deshalb: Es gibt eine Menge zu tun, und jedes Paar Hände wird gebraucht. Hört auf das, was Königin Seiya euch zu sagen hat. Noch in dieser Stunde werden in allen Vierteln Aufrufe angeschlagen, auf denen Ihr geschrieben findet, was hier gesprochen wird – Vorbereitungen, die zu treffen sind, und wo sich die Freiwilligen melden sollen.« Sie nickte Seiya zu und trat einen halben Schritt zurück.
Die Exilkönigin ließ sich die Schriftrolle reichen, die Don’na Elphira bereit hielt, entrollte sie und verlas die ersten Anweisungen.
Die silbernen Segel, die das Sonnenlicht für die Stadt einfingen, sollten so ausgerichtet werden, dass sie das gleißende Licht in das weiße Tafelland hinaus warfen – und jeden blendeten, der sich Thel-Ryon näherte. Ebenso sollten die hohen Eisenmauern, welche die Stadt einfassten, spiegelblank gebrannt werden mit der Säure, die sonst Edelgestein sauber fraß, um zusätzliche Reflexionen zu schaffen. Das würde zwar nur über die Tagstunden hinweghelfen, aber dadurch erzwangen
Weitere Kostenlose Bücher