Super Nova (German Edition)
schalkhaft und ging zu der gelben Villa.
Obwohl mir nicht gefiel, dass er Menschen seinen Willen au f zwang, deren Gedanken so beeinflusste, dass sie ihm bedingungslos folgten, empfand ich seine Gabe in dieser Situation als sehr hilfreich.
Zögerlich ging ich zu unserem Cottage.
Der Schlüssel lag wie gewöhnlich unter der kleinen Terrakottakatze , die neben unserer Haustür stand. Als ich aufschloss und über die Schwelle trat, bekam ich Angst und musste an die vergangene Nacht denken.
Die Rava waren alle in unserer Küche gewesen. Ob sie noch da waren? Verunsichert sah ich zurück und suchte Shiva; doch er war schon in der Villa verschwunden. Nun musste ich hier alleine durch. Ganz langsam betrat ich den Flur und lauschte. Ich hörte das ve r traute Wippen des Schaukelstuhls. Also musste Babette im Woh n zimmer sein. Ich ging langsam weiter, ohne ein Geräusch zu m a c hen. Zuerst schlich ich zur Küche. Ich musste mich vergewissern, dass dort kein Rava mehr stand. Ängstlich blickte ich um die Ecke.
Die Küche war leer und verlassen. Ich war erleichtert, atmete e r schöpft aus und t rat ein. Ich sah die Blutflecken auf dem Boden und auf der Arbeitsplatte. Das Messer, mit dem Shiva die Sender entfernt hatte, lag in der Spüle. Ich griff sofort zur Küchenrolle, beseitigte alle Blutspuren, wusch das Messer ab und putzte den Boden.
Dann schlich ich in den Flur zurück und lugte durch einen Spalt ins Wohnzimmer. Meine Mutter saß in ihrem Schaukelstuhl, wippte sanft und hatte ihre Augen geschlossen. Cosimo lag zu ihren Füßen auf dem alten Schafsfell. Es war so friedlich. Ich wollte nicht stören; darum ging ich in mein Zimmer, um zu packen. Ich betrat mein kleines Reich und setzte mich aufs Bett.
Hier drinnen war alles noch genau so, wie ich es gestern verla s sen hatte. Ich rechnete damit, Chaos vorzufinden, und dachte, die Rava hätten alles durchwühlt, aber nichts dergleichen. Alles war an seinem Platz. Doch dann fiel mein Blick auf das Kopfkissen. Darauf lag das Bild, das Babette vor einigen Wochen gezeichnet hatte. Ich sah den Stern und die drei Personen und mir lief es eiskalt über den Rücken.
Die Silhouette der einst weißen Frau war nun schwarz ausgemalt!
Was hatte das zu bedeuten? Die Zeichnung lag gestern noch auf meinem Nachttisch, genau neben dem Elixier. Der Flakon stand noch da – unangerührt – und der türkisfarbene Verschluss strahlte mich an.
Wie würde mein Leben jetzt wohl aussehen, wenn ich es getru n ken hätte? Würde ich es trinken, wenn ich eine zweite Chance hätte, angesichts der Konsequenzen, die mein Handeln nach sich zog?
Ich nahm das Fläschchen an mich, schüttelte die klare Flüssi g keit, fand aber keine Antwort und war froh, kein zweites Mal eine Entscheidung fällen zu müssen. Dann packte ich meine Sachen zusammen: Babettes Bild, Shivas Elixier, meine Kleidung, das Portmonee, mein Handy und die Hasenhausschuhe von Tommy. Es war dumm, die Hausschuhe mitzunehmen, das wusste ich. Als ob ich sie benötigte, wo immer ich demnächst auch hinmusste. Aber so hatte ich wenigstens etwas von Tommy bei mir.
Anschließend nahm ich meine Reisetasche, ging ins Badezimmer und packte dort Shampoo, zwei Handtücher und das Notwendigste in einen Kulturbeutel. Nun war die Tasche randvoll. Als Letztes zog ich mich um, kroch in meine geliebten Jeans und schlüpfte in einen frischen Pulli. Ich war froh, endlich aus diesem schrecklichen engen Top und der alten Hose rauszukommen, die ich sofort im Müll entsorgte. Ich wollte die Sachen nie wieder sehen.
Danach ging ich zurück in die Küche und erschrak heftig, als meine Mutter wie ein Gespenst hinter mir erschien – ich hatte sie nicht kommen hören. Wie angewurzelt blieb sie stehen und sah mich verstört an. Tränen stiegen ihr in die Augen, sie begann zu weinen.
»Aber Mama, was ist denn?«, fragte ich zittrig und näherte mich ihr. Ich wusste, dass sie mir sowieso nicht antworten würde, deshalb redete ich weiter.
»Ich habe dir Sorgen gemacht , richtig? Es tut mir leid, verzeih!«
Mein Blick wanderte zur Spüle, in der vorhin noch Blut gewesen war. »Oh … es ist nicht so, wie du denkst! Ich … ich habe einen Freund … und, äh, mit ihm war ich diese Nacht hier. Jedenfalls … wir, ich meine, ich wollte Salat, ja, genau, Salat … den wollte ich machen und habe mich dummerweise dabei geschnitten. Du kennst mich doch und weißt, wie tollpatschig ich manchmal bin«, stamme l te ich, um eine plausible Erklärung
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