Superdaddy: Roman (German Edition)
oder? Ging es darum – oder nicht?«
»Ja. Aber …«
Charlotte lief tiefrot an. »Aber DOCH! Weißt du eigentlich, wie viel Max da reingesteckt hat, in deinen sagenhaften Durchbruch?«
»Er hat das Video vom Eisdielenmassaker finanziert.«
»Ah, das Video?« Sie lachte schrill auf. »Das Video! Ja, das ist das, was DU weißt. Aber glaubst du denn, irgendjemand hätte sich das angeguckt – ohne Max?«
Ich verstand kein Wort. Wollte sie mir sagen, Max hätte von einer Million Internetcafés aus immer wieder das Eisdielenmassaker angeklickt?
Charlotte drehte sich um und winkte dem Kellner. »The bill, please.«
»Was hat Max damit zu tun?«
Sie lehnte sich zurück und sah mich an. Aber so, als ob sie durch mich durchsehen würde. Als ob ich schon nicht mehr da wäre.
»Was wohl?« Sie schloss kurz die Augen, als ob alle Jetlagmüdigkeit auf einmal über sie gekommen wäre. »Denk doch selber drüber nach, du Schlauberger.«
Hatte Max irgendwelchen Ägyptologiestudenten im 23. Semester sieben Euro pro Stunde dafür bezahlt, das Video anzuklicken?
Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht.
»Philipp. Man kann sich den Zugriff auf eine Million PCs kaufen, um Penisverlängerungswerbemails zu verschicken. Man kann sich zwanzigtausend Mitglieder für die Facebookgruppe Ich mag unverlängerte Penisse kaufen, damit man nicht so alleine dasteht. Und man kann Klicks kaufen. Was glaubst du, wie diese Portale sich finanzieren?«
Jetzt hatte sich meine geographische Position noch einmal verändert. Ich saß immer noch auf dem Stuhl, aber der befand sich schon über dem Abgrund. Wenn jetzt kein Fallschirm aufging, würde ich in wenigen Sekunden auf die 52. Straße knallen.
»Charlotte, das denkst du dir aus.«
Sie blickte mich durch ihr asymmetrisches Brillengestell an. »Klar! Und Monsieur Karl Theodor Maria Nikolaus Arschloch zu Guttenberg hat seine Doktorarbeit ganz allein geschrieben.«
Es gab keinen Fallschirm. Ich fiel. Mein ganzer toller Erfolg schrumpfte auf die Zahlung einer Geldsumme, auf das Mitleid eines Freundes zusammen. Und deswegen hatte ich auch nicht das Recht, die Karriere an den Nagel zu hängen. Ich musste Max um Erlaubnis fragen. Es war seine Karriere.
»Gut, was schlägst du vor?«
Charlotte kippte den Rest des süßen Alkoholgesöffs in einem Zug runter. »Du sagst ihnen, dass es deine Sendung ist. Dass es die verdammt beste Sendung ist, die sie haben. Dass sie dankbar sein können, dich zu haben. Und dass sie sich ihre Entschädigungssumme in den Arsch stecken können, weil du weitermachst. Punkt.«
Klar. So bekam man einen Sonderforschungsbereich. Mir fielen solche Formulierungen nicht ein. Ines hätten sie einfallen müssen. Aber die wollte ja lieber Superdaddy als Caveman -Nachfolger an alle Bühnen von Apenrade bis Schwetzingen verkaufen.
Der Kellner sah aus wie Will Smith vor 20 Jahren. Er legte einen kleinen chinesischen Schmuckkasten vor Charlotte auf den Tisch, und ohne das Kästchen mit der Rechnung zu öffnen, drückte sie ihm einen 50-Dollar-Schein in die Hand. Will Smith sah sie unverfroren an, mit einem Dich-werde-ich-heute-Nacht-nehmen-Blick, dem sie standhielt. Sie war schon wieder ganz woanders. Aber so ließ ich mich nicht abservieren. Ich war nicht der Berti Vogts unserer Beziehung.
»Und dann?«, fragte ich.
»Was dann?«, entgegnete sie verständnislos.
»Wer sieht dann nach Luna, wenn sie ins Krankenhaus eingeliefert wird?«
Charlotte verdrehte die Augen und guckte hilfesuchend in den Himmel über New York. Wenn Gott irgendwo wohnte, dann hier.
»Vielleicht diese süße ungarische Au-pair-Schlampe?«
Nein, diese Frage war zu wichtig. Ich würde ihr nicht erlauben, sie beiseitezuschieben. Vielleicht war es die wichtigste Frage überhaupt. Jedenfalls für uns, für ein Paar mit drei Kindern. Was waren wir uns schuldig?
»Okay«, ich beugte mich vor, »und jetzt sag ich dir mal was. Ich hätte den Job gerne behalten. Und denen erzählt, dass du in Zukunft da bist, wenn die Kleinen uns brauchen. Und was ist die Pointe? Ich habe es ihnen erzählt. Aber niemand hat es mir geglaubt. Und das ist das Problem, Charlotte. Es sind auch deine Kinder. DEINE Kinder! Was ist eigentlich mit DIR?«
Das japanische Zwergen-Pärchen am Nachbartisch hatte seine nasale Unterhaltung unterbrochen und sah uns ungläubig von der Seite an.
»Könntest du bitte etwas leiser reden?«
Es gab drei Lautstärken in New York: die asiatische, die europäische und die afroamerikanische. Ich
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