Superhirn Sammelband
Leute am zerstörten Pavillon hatten es ohnehin nicht weit gehabt. KripoAssistent Gide erschien mit der Miene eines Jägers, der noch nicht weiß, welches Wild es zu erlegen gilt. Er blickte auf die Jugendlichen, die beiden Leibwächter und Monsieur Rodincourt. Sie erwarteten ihn im großen Spiegelsaal vor der Schleuse.
»Das Bild ist wieder im Tresorraum?« schrie er. »Ausgeschlossen! Es soll nie weggewesen sein? Ich sage Ihnen, dieser Superbursche hält uns alle zum Narren! Wer weiß, was der in seiner Trickkiste gehabt hat.«
Er stürzte mit Rodincourt ins Gemäldezimmer, kam aber gleich wieder herausgeschossen:
»Eine Kopie! In wessen Auftrag ist die eingeschmuggelt worden? Ich lasse mich strafversetzen, wenn das Bild da drin echt ist!«
»Dann würde ich an Ihrer stelle sofort gehen4 verteidigte sich Superhirn. »Das Bild ist so echt wie ihre Nase oder das Haar auf Ihrem Kopf!«
»Freundchen!« schrie Gide. »Willst du Fachleute aufs Kreuz legen? Den Quatsch mit der optischen Täuschung, dem elektrischen Schlag und dem Zusammenhang mit der Alarmanlage, den du uns aufgetischt hast, glaube ich dir nie! Ich brauche jetzt einen Experten für Malerei.«
»Den können Sie sich sparen«, sagte Robert Rodincourt, »Wenigstens brauchen Sie keinen Fremden: ich bin selber Experte, und von den Gemälden meines Vaters – ob in der Schweiz, in Paris oder hier – verstehe ich genug. Der RÄUBERSCHWUR dort drinnen ist das Original!«
Inzwischen war Gides Vorgesetzter, Kommissar Vinloh, eingetroffen. Er leitete die Ermittlungen in der Umgebung, und er hatte nicht nur den längst angekündigten Pariser Kommissar Barre mitgebracht, sondern auch – Madame Dydon!
Die gute Frau machte keineswegs einen verängstigten Eindruck. im Gegenteil, sie blickte recht kriegerisch drein. »Nun bin ich aber mal neugierig, was man mir noch alles anhängen will.« rief sie laut.
Der Pudel hopste freudig auf sie zu, doch Kommissar Vinloh befahl: »Zurück mit dem Köter!
Wer hier stört, fliegt raus.«
Tati nahm Loulou rasch auf den Arm. Die Gefährten gaben ihrer geliebten Madame Dingdong verstohlene Zeichen, doch sie hüteten sich, laut zu frohlocken.
Als letzter, auf leisen Sohlen, trat ein schnauzbärt!ger Mann in den Saal, den keiner so schnell hier erwartet hatte.
»K-k-kommissar Rose …« stammelte Prosper.
Hörbar atmete Superhirn auf. Der spindeldürre Junge straffte sich und fragte mit klarer, jedermann vernehmbarer Stimme: »Darf ich jetzt zeigen, wie das Millionenbild RÄUBERSCHWUR aus dem Rahmen verschwand … ?«
Der Pariser Kriminalist Barre, die Brossacer Beamten und der junge Rodincourt waren eben wieder aus dem Tresorraum herausgekommen. Madame Dydon stand, mit allen anderen wartend, im Spiegelsaal.
»Wie das Bild verschwand?« fuhr Kommissar Barre Superhirn an. »Eben hörte ich, es sei niemals weggewesen – und auf einmal hängt das teure Original unversehrt im Rahmen? Sagen Sie mal, Herrschaften, will sich hier jemand wichtig machen, um in die Zeitung zu kommen? Da fragt man sich doch, wird hier die Polizei genarrt … ?«
»Nicht im geringsten«, sagte Superhirn ruhig. Und er zog die unheimliche kleine Puppe aus ihrer doppelten Umhüllung. Niemand achtete dara«f, denn an der Stelle, wo Barre, Gide und Vinloh standen, knisterte es auf einmal beängstigend …
»Was ist das?« rief der Assistent Gide alarmiert. »Wo kommt das her, wo kommt das her …?«
Und plötzlich begannen sie alle auf der Stelle zu tanzen, als fürchteten sie, auf ein Dutzend giftiger Schlangen zu treten. Die jugendlichen wichen bis zur Spiegelwand zurück. Der Pudel auf Tatis Arm jaulte vor Angst. Nur drei Personen rührten sich nicht vom Fleck: die bestürzte Madame Dingdong, der kaltblütige Kommissar Rose und Superhirn.
Das Knistern verebbte – und plötzlich stand zwischen Barre und den »Kofferschränken« etwas, das man bisher nicht im Spiegelsaal gesehen hatte: eine geflügelte, etwa kniehohe Marmorfigur, die ohne jeden Zweifel kein Lichteffekt, sondern ein kompakter Gegenstand war – ein Engel …!!!
Kommissar Barre sprang auf die Marmorfigur zu, prallte mit den Beinen dagegen und sank ächzend auf das Parkett:
»Was ist das … ???« keuchte er, den geflügelten Marmorengel entsetzt betrachtend.
»Das ist«, sagte Superhirn, »der berühmte Engel von Florenz. Er wurde im Frühjahr vom Campo di Marte gestohlen. Seither sucht man ihn in aller Welt. Aber auf jeden Fall hat ihn Madame Dydon nicht geklaut …«
Barre
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